Vierfachmord RupperswilWie kann ein Mensch so etwas Schreckliches tun?
Thomas N. löschte eine Familie aus. Wie tickt jemand wie er? Forensiker Thomas Knecht unternimmt einen Erklärungsversuch.
Herr Knecht, wie ist ein Mensch zu einer solch kaltblütigen Tat fähig?
Kurz gesagt durch den Mangel an zwischenmenschlichen Gefühlen.
Können Sie das ausführlicher erklären?
Grundsätzlich steckt in jedem Menschen gewalttätiges Potenzial. Doch längst nicht jeder lebt es aus. Unser Gehirn und unser Wesen werden bereits im Mutterleib geformt. Wenn dabei etwas schief läuft, kann es zu Persönlichkeitsstörungen kommen. Beispielsweise wissen wir, dass wenn die Mutter raucht oder Alkohol konsumiert, die Hirnentwicklung des Babys so verändert wird, dass es zu einer dissozialen Störung kommen kann. Durch die Erziehung und Lebenserfahrungen sollte der Mensch ausserdem zum sozial verträglichen Wesen geformt werden. Dazu gehört, dass er Empathie lernt. Der Mensch muss lernen, sich in andere hineinzuversetzen und mit anderen zu funktionieren. Durch eine lieblose oder gewalttätige Erziehung oder böse Erfahrungen kann die Entwicklung zu einem sozialen Wesen beeinträchtigt werden. Wenn solche sozialen Fähigkeiten ganz fehlen, spricht man von einem Psychopathen.
Wie wirkt sich das Fehlen von Einfühlungsvermögen aus?
Man geht auf die Gefühle anderer nicht ein oder bemerkt diese nicht einmal. Andere Menschen werden lediglich als Statisten gesehen, die man so anordnen kann, wie man möchte. Man schaut nur, dass die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden und das ohne Gewissensbisse. Diese Befriedigung steht über allem. Solche Menschen unternehmen alles, damit sie das bekommen, was sie unbedingt wollen. Sie sind sogar bereit, sich über andere hinwegzusetzen. So kommen wir schnell in den Bereich des Kriminellen.
Woran ist ein Psychopath erkennbar?
Bereits die Denkweise und das Benehmen können darauf hinweisen, dass ein Mensch anders tickt. Je mehr die Person, sein Umfeld und sein Leben untersucht werden, desto mehr Auffälligkeiten werden einem bewusst.
Ist der Täter von Rupperswil für Sie ein Psychopath? Wenn nein, was könnte er dann sein?
Die Gefühlskälte lässt darauf schliessen. Aber auch die Frage des pathologischen Narzissmus ist abzuklären.
Wann ist jemand bereit eine solche Tat auszuführen?
Die Bereitschaft ist meistens bereits schon da. Aber veränderte Lebensumstände können dazu führen, dass jemand aktiv und dadurch delinquent wird.
Thomas N.* soll vor einigen Jahren seinen Vater verloren haben. Kann ein solcher Schicksalsschlag ein Auslöser für die Tat gewesen sein?
Je nach Anlage gehen Menschen anders damit um. Während die normalen Menschen einen Schicksalsschlag nehmen und gestärkt daraus hervorgehen, nehmen Psychopathen diesen so auf, dass sie noch selbstbezogener werden. Sie sehen es als Anlass, sich noch mehr auf sich selber und die eigene Befriedigung zu fokussieren.
Kann eine solche Tat auch eine Kurzschlussreaktion sein?
Ein Mord wird immer mit Bedacht begangen. Er ist immer geplant und grausam. Eine Kurzschlussreaktion führt eher zu Totschlag.
Wie kann jemand wie Thomas N. nicht als psychologisch krank gelten, aber eine solche Tat vollbringen?
Eine psychische Erkrankung, die in Phasen verläuft, scheint er nicht zu haben. Eine Persönlichkeitsstörung ist dadurch längst nicht ausgeschlossen.
* Name der Redaktion bekannt