Latsch GR«Heidi» - der Dreck stammt aus Deutschland
Für den neuen «Heidi»-Film schneits im Bündnerland schon im September. Auch der Schmutz ist nicht echt: Acht Tonnen eigens hergestellter Dreck wurden von München nach Latsch gekarrt.
Heidi ist ein Markenname, aber wo Heidi draufsteht, ist nicht immer Heidi drin. Seit 1920 verbreitet der Spyri-Stoff im Film das idealtypische Bild der Schweiz. Allerdings sind die Filmversionen selten einheimisch. Selbst Lockenköpfchen Shirley Temple war schon mal Alpenkind Adelheid, und Jason Robards aus «Spiel mir das Lied vom Tod» ein finsterer Alpöhi.
Realismus um jeden Preis
Jetzt schickt sich eine neue Produktion an, das vielleicht berühmteste Kinderbuch überhaupt zu adaptieren: Eine deutsch-schweizerische Co-Produktion teilt sich die Kosten von 8,5 Millionen Franken. Einen Drittel der Gelder bringen die Schweizer auf. Vertrieben wird das Ergebnis dann weltweit über die französische Canal+. Die Luzerner «Zodiac», die schon mit Mike Müller den «Tell» machte, strebt mit diesem Heidi die realistischste Verfilmung bisher an. Um die helvetische Welt ins Jahr 1880 zurückzuversetzen, wird tief in die filmische Trickkiste gegriffen. Erst waren die Dorfbewohner skeptisch, als der Regisseur nach einem Misthaufen verlangte. Doch beruhigt konnte man in Latsch feststellen: Selbst der Miststock ist eine hohle und vor allem geruchlose Attrappe.
«Heidi-Land» in künstlicher Schneekulisse
Denn hier ist nicht nur Bruno Ganz mit falscher Sonnenbräune geschminkt. Dem ganzen Dörfli wurde Make-up verpasst. Die schmucken Häuser sind auf alt getrimmt und durch Pappmaché-Bauten ergänzt worden. Computertechnik wird nachträglich jeden Anachronismus verschwinden lassen. Frischen Schnee herzustellen dauert für die Filmtrickser nur fünf Minuten - und auf Kommando beginnt in Latsch die Wintersaison. Natürlich ist auch die Heidi nicht wirklich ein Waisenkind: Das Churer Mädchen Anuk wird auf Schritt und Tritt von seiner Mutter begleitet. Und die Kutschen und Pferde? Stammen aus der ehemaligen Tschechoslowakei.
So viel Detailtreue ist mehr als man erwarten dürfte. Doch die Produzenten haben tatsächlich die genaue Mischung aus Kuhmist und Stroh recherchiert, wie er 1880 den Boden eines solchen Orts bedeckt haben dürfte. Acht Tonnen künstlich hergestellter Dreck wurden von München angekarrt und in Latsch ausgekippt.
Ziegenmelken - für Ganz ein Déjâ-vu
Auf dieser künstlichen Unterlage will Ausnahmeschauspieler Bruno Ganz Realismus erschaffen. Für den Alpöhi hat der Schweizer bei einem lokalen Landwirt die Handgriffe des Ziegenmelkens repetiert. Für Ganz ein Déjâ-vu, verbrachte er doch in der Kindheit viel Zeit auf dem Bauernhof. Aufgenommen wird Ganz in Schweizerdeutsch. Für die deutsche Version wird er sich selbst synchronisieren.
Eigentlich müssten es die Latscher ja wissen. Wenn Filmleute kommen, wird ihre Heimat auf den Kopf gestellt. Das war 1952 nicht anders, als die Ur-Heidi mit Heinrich Gretler gedreht wurde. Und 1982, als man für Sean Connerys Bergsteiger-Drama «Am Rande des Abgrunds» extra einen künstlichen Friedhof anlegen musste. In Latsch wandelt man auf filmhistorischen Pfaden. Und auf künstlichem Mist.