Energiegesetz«Wir verbrauchen so viel Strom wie St. Gallen»
Stahl Gerlafingen ist einer der grössten Stromverbraucher der Schweiz. Chef Daniel Aebli engagiert sich an vorderster Front für die Energiestrategie.
Herr Aebli, Sie produzieren mit ihren 470 Mitarbeitern im Jahr 650'000 Tonnen Stahl aus Schrott. Wie hoch ist Ihre Stromrechnung?
Unsere Energiekosten – für Strom, Gas und Sauerstoff – betragen rund 35 Millionen Franken pro Jahr. Dabei verbrauchen wir 350 Gigawattstunden Strom. Das entspricht dem Verbrauch von 70'000 bis 80'000 Haushalten oder der Stadt St. Gallen. Das mag nach viel aussehen, aber würde der Stahl nicht recycelt, sondern aus Eisenerz gewonnen, bräuchte dies dreimal mehr Energie.
Im Gegensatz zum Branchenverband Swissmem kämpfen Sie für das Energiegesetz. Warum?
Dass der Bau neuer AKW verboten wird, ein Technologieverbot, stösst vielen im Hausverband sauer auf. Ich bin auch nicht mit allem glücklich, aber das Gesetz ist ein guter Kompromiss. Erneuerbare Energien und die Energieeffizienz werden gefördert, die Subventionen sind im Gegensatz zu heute befristet. Der Kostenrahmen von rund 500 Millionen Franken ist klar.
Der Basler Wirtschaftsprofessor Silvio Borner sagt, Sie seien geködert worden. Das Energiegesetz befreit energieintensive Unternehmen wie Ihres von der Abgabe zur Förderung erneuerbarer Energien. Die Rechnung bezahlen am Ende die Haushalte und KMU.
Wir wurden nicht geködert, sondern stehen in einem internationalen Wettbewerb. Müssten wir den Netzzuschlag gemäss dem revidierten Energiegesetz entrichten, würde uns das 8 Millionen Franken jährlich kosten. Das wäre existenzbedrohend. Energieintensive Firmen erhalten nicht einfach einen Blankoscheck, sondern müssen sich gegenüber dem Bund verpflichten, die Energieeffizienz zu steigern. Erreichen wir die Ziele der Vereinbarung nicht, wird es teuer.
Wie sparen Sie Strom?
Wir beschäftigen drei Ingenieure, die laufend Effizienzmassnahmen eruieren und umsetzen. Wir haben etwa einen der effizientesten Öfen in Europa, nutzen dessen Abwärme, um Schrott vorzuwärmen, wechseln Motoren aus und versuchen, den Energieverbrauch zu Zeiten des Leerlaufs zu minimieren. Erst letzte Woche war eine Delegation eines japanischen Stahlproduzenten hier, um von uns zu lernen. Die Zielvereinbarung mit dem Bund sieht vor, dass wir die Energieeffizienz mit wirtschaftlichen Massnahmen in den nächsten zehn Jahren noch um 2,2 Prozent steigern können. Das zeigt: Wir sind schon sehr gut. Weniger gut sieht es bei den Haushalten aus. Adolf Ogi lehrte uns schon vor Jahren, wie man Eier kocht, passiert ist beim Energiesparen fast nichts. Auch bei den KMU liegt noch viel Potenzial brach.
Anders als Private können Sie günstig auf dem internationalen Strommarkt einkaufen. Kaufen Sie denn Ökostrom ein?
Der Stahlmarkt ist ein Weltmarkt. Da müssen Sie das Gleiche machen, wie Ihre Mitbewerber. Denn selbst wenn jemand ein Minergie-Haus baut, wird er kaum mehr für Stahl aus erneuerbaren Energien bezahlen.
Die Gegner sehen die Energiesicherheit in Gefahr, wenn die Vorlage durchkommt. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Öfen kalt bleiben?
Eine Stromlücke gibt es so oder so, da die AKW das Ende der Lebensdauer irgendwann erreicht haben. Ein Teil der Gegner der Energiestrategie will neue AKW bauen, sagt es aber nicht offen. Doch das ist unrealistisch, weil in absehbarer Zeit ohnehin niemand auf die Idee kommen würde, in der Schweiz ein AKW zu bauen. Energie wird künftig nicht mehr jederzeit beliebig verfügbar sein. Wir müssen darum auf eine dezentrale Energieversorgung setzen und erneuerbare moderat zubauen. Und wir müssen uns von der Vorstellung lösen, die Schweiz müsse vollkommen unabhängig vom Ausland sein – das ist schon jetzt eine Utopie, ausser vielleicht beim Druck von Banknoten.
So wird im Kanton Solothurn Stahl recycelt:
Temperaturen über 1000 Grad: Die Stahlherstellung ist energieintensiv.
Darüber stimmen wir am 21. Mai ab
Das Parlament hat zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 das Energiegesetz revidiert. Dieses kommt am 21. Mai vors Volk, weil die SVP das Referendum ergriffen hat. Das erste Massnahmenpaket sieht vor, dass erneuerbare Energien wie Wasser, Sonne und Wind stärker gefördert werden. Dazu wird der Netzzuschlag erhöht. Zudem soll der Energieverbrauch bis 2035 um 43 Prozent gesenkt werden. Der Bau neuer AKW wird verboten.