Darf man heute noch Haustiere halten?

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Hund, Katze, VogelDarf man heute noch Haustiere halten?

Hamster im Laufrad und Reptilien unter der Wärmelampe: Tierrechtler stellen die Haltung von Haustieren grundsätzlich infrage. Haustierbesitzer schütteln den Kopf.

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Passanten erzählen, wie sie zu Haustieren stehen. (Video: bz/sri)

Weltweit gehen Menschen auf die Strasse, um gegen Pelzfarmen, Tierversuche, Raubtiernummern im Zirkus oder den Klimawandel zu demonstrieren. In diesem Umfeld wird auch die Haltung von Haustieren zunehmend hinterfragt.

«In einer idealen Welt leben Mensch und Tier nebeneinander und nicht miteinander», sagt etwa Harald Ullmann von der Tierschutzorganisation Peta Schweiz. Es gebe zwar viele Menschen, die zu ihren Haustieren wie Hunden und Katzen gut seien. «Da wir leider aber auch immer wieder von Misshandlungen hören, wäre es besser, wenn der Mensch gar keine Haustiere mehr halten würde.»

Haustiere stünden in der Abhängigkeit ihres Besitzers und seien ihnen deshalb vollständig ausgeliefert, so Ullmann. «Tiere werden nur zur Belustigung des Besitzer gehalten.» Deutlich zeige sich dies bei solchen, die in Käfigen und Terrarien eingesperrt seien. «Gerade Schlangen, Mäuse, Vögel und Fische haben definitiv nichts in einem Haushalt verloren.»

«Die meisten Käfige für Kleintiere sind zu klein und ignorieren ihr Bedürfnis, sich zurückzuziehen», sagt Tobias Sennhauser von «Tier im Fokus». (Symbolbild)
Der 35-Jährige findet, dass Tiere durchaus in menschlicher Obhut leben können. Voraussetzung ist aber, man behandelt sie mit Respekt und geht auf ihre Bedürfnisse ein.
Für Vögel sei eine artgerechte Haltung aber kaum möglich: «Vögel gehören in die Weiten des Himmels, nicht in den Käfig», so Sennhauser. (Symbolbild)
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«Die meisten Käfige für Kleintiere sind zu klein und ignorieren ihr Bedürfnis, sich zurückzuziehen», sagt Tobias Sennhauser von «Tier im Fokus». (Symbolbild)

Evafotografie

«Gerade Kleintierhaltung in Käfigen ist Ausbeutung»

Auch Renato Werndli, Tierschützer und Arzt aus St. Gallen, sagt: «Tiere nur zu unserer Unterhaltung zu halten, ist falsch und nicht mehr zeitgemäss.» Er ist der Meinung, dass keine Tiere mehr für rein menschliche Zwecke gezüchtet und ihrer Freiheit beraubt werden sollten, um sie später auszunutzen. «Gerade Kleintierhaltung in Käfigen ist Ausbeutung», so der Mediziner, der selbst seit Jahren vegan lebt.

Ähnlich empfindet Tobias Sennhauser von Tier im Fokus: «Die meisten Käfige für Kleintiere sind zu klein und ignorieren ihr Bedürfnis, sich zurückzuziehen.» Vögel etwa gehörten in die Weiten des Himmels, nicht in den Käfig. Generell verbieten würde er die Haustierhaltung jedoch nicht: «Tiere können durchaus in menschlicher Obhut leben. Die Frage ist immer, ob man sie mit Respekt behandelt und wie weit man auf ihre Bedürfnisse eingehen kann.»

«Haltung sollte artgerecht sein»

Markus Wild, Professor für Philosophie an der Universität Basel, geht das zu weit. Er findet die Haustierhaltung vertretbar, solange sie artgerecht sei: «Tiere geben uns sehr viel.» Er bemängelt aber, dass in der Schweiz zu wenig kontrolliert werde: «Haustiere werden als Eigentum behandelt und man benötigt keinen Sachkundenachweis für ihre Haltung. Das ist sicherlich problematisch.» Zwar habe man das bei Hunden zum Teil eingeführt, bei anderen Tieren sei das aber auch nötig.

Hunde sind laut Wild wegen ihrer Bindung an den Menschen eher als Haustier geeignet als andere Tiere wie etwa Fische: «Die gehören nicht in ein Aquarium, maximal in ein Naturgewässer wie einen Teich oder Weiher. Eine artgerechte Haltung bei Vögeln ist meines Erachtens schwierig», erklärt er weiter.

«Kunden sind besorgter als früher»

Bei Haustierhaltern scheint derweil ein Umdenken stattzufinden. Kunden, die sich für Nager und Vögel interessierten, seien besorgter als früher, stellt Daniela Schaad, Mitarbeiterin des Zoofachgeschäfts Zoo Thun, fest. «Oft wollen sie doppelt oder dreifach so grosse Käfige und Terrarien als der Standard», sagt Schaad. Auch informierten sie sich detaillierter über den Aufwand. «Die Kunden wollen sichergehen, dass sie genügend Zeit für die Betreuung des Tiers haben und wollen auch gut ausgerüstet sein.»

Wer in Nagern oder Vögeln «Gefangene» sieht, denkt laut Schaad zu weit. «Unsere verkauften Nager und Vögel sind ausschliesslich Nachzuchten seit vielen Generationen, die mit einem Leben in der Wildnis nicht zurecht kämen.» Ihre Bemühungen gingen dahin, dass die Tiere in möglichst «naturnahen» Gehegen gehalten würden.

«Dort werden sie von Wildtieren gejagt»

Cyrille Nudin (20)(siehe Video)* hatte früher Kaninchen in einem Freilaufgehege. «Sie hatten es recht gut. Sie bekamen immer Futter, und es wurde wöchentlich gemistet.» Ob sie es in der freien Natur schöner gehabt hätten, sei nicht klar. «Dort werden sie eher von Wildtieren gejagt als bei mir zu Hause, wo sie sicher waren.»

Zikica Micic (20) hat einen Chihuahua. Ihrem Hund gehe es gut. Sie und ihre Familie schauten, dass er rauskomme und genug zu Fressen und zu Trinken bekomme, sagt die Lernende. «Ich bin froh, dass ich ihn habe. Er ist schon seit Jahren ein guter Freund für mich. Ich behalte ihn gern und schaue weiterhin gut zu ihm.»

*Joël Criblez wurde im Video versehentlich als 29-jährig bezeichnet. Sein korrektes Alter ist 20.

Das sagt man im Ausland

«Tiere sollten kein Eigentum sein; niemand sollte sie besitzen. Vor dem Gesetz gelten sie als Sache. Wenn uns die Hunde zu viel werden, kann mich niemand daran hindern, sie einschläfern zu lassen. Weil sie mein Eigentum sind, könnte ich ihnen null Wert zusprechen und sie töten, wenn es mir passt.»

Gary Francione und Anna Charlton, Jus-Professoren an der amerikanischen Rutgers University in Newark, gegenüber dem deutschen «Geo»-Magazin.

«Einerseits lieben wir Haustiere wie Familienangehörige und vermenschlichen sie. Andererseits lernen wir immer mehr über das emotionale und komplexe Innenleben von Tieren, dass wir kein Recht mehr haben, jeden Aspekt ihres Lebens zu kontrollieren.»

Hal Herzog, Mitbegründer der Anthrozoologie und Wissenschaftler an der amerikanischen Western Carolina University, im Interview mit dem «Guardian».

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