Codein-MissbrauchKein Hustensirup mehr – wegen Drogen-Kids
Weil Teenager sich mit codeinhaltigem Sirup zudröhnen, verweigern ihnen Tessiner Apotheken den Kauf. In der Deutschschweiz setzt man bereits auf ein anderes Rauschmittel.

Mit Hustenmittel zum Rausch: Jugendliche mischen den Sirup mit Alkohol oder mit Süssgetränken wie Sprite. Vor allem im Tessin suchen 15- bis 18-Jährige Apotheken auf und verlangen nach codeinhaltigen Sirupen; die Nachfrage hat derart zugenommen, dass sogar der Kantonsapotheker eine Warnung verschicken musste.
Kein Anbieter/Screenshot YoutubeHustensirup mit Codein ist bei Jungen ein beliebtes Rauschmittel. Sie mischen den Saft mit Alkohol oder Süssgetränken wie beispielsweise Sprite – daher auch der Name Dirty Sprite, der ursprünglich aus den USA stammt. In der Schweiz nennt sich der Mix auch Maka, weil dafür meist der Hustensaft Makatussin verwendet wird.
Vor allem im Tessin sorgt der gefährliche Trend (siehe Box) derzeit für grosse Probleme, wie Apotheken bestätigen. Die Nachfrage von 15- bis 18-Jährigen hat derart zugenommen, dass der Kantonsapotheker im letzten Herbst eine Warnung verschickt hat. Seither verlangen viele Apotheken von Minderjährigen ein Rezept.
«Sie lügen und zeigen gefälschte Identitätskarten»
Meist sind es junge Männer, die mit einer Ausrede in die Apotheke kommen: Der Saft sei für die Grossmutter oder den Onkel. Sobald man allerdings eine codeinfreie Alternative vorschlägt, gehen die Jugendlichen wieder. In der Apotheke Cattaneo in Lugano versuchen bis zu sieben Minderjährige pro Woche, auf diese Weise an Makatussin zu kommen. «Besonders viele Anfragen bekommen wir im Sommer, vor Feiertagen oder am Wochenende», heisst es auch bei der Farmacia Centrale di Chiasso.
Einige Apotheker haben das Mittel deshalb komplett aus dem Sortiment genommen. So auch Andrea Zamboni in Ascona: «Viele Jugendliche wollten bei mir Makatussin kaufen – es war aber offensichtlich, dass sie keinen Husten hatten.» Diese Dreistigkeit der Jungen sei neu für ihn. «Nicht nur, dass sie mir direkt ins Gesicht lügen, sie zeigen sogar gefälschte Identitätskarten und erfinden irgendeinen Namen eines Arztes.» Er habe deshalb entschieden, den Sirup gar nicht mehr zu verkaufen. «Ich will mir nicht die Hände schmutzig machen, so bin ich auf der sicheren Seite», sagt Zamboni.
Apotheker muss Verdächtige erkennen und reagieren
Ennio Balmelli, Sprecher des kantonalen Apothekerverbands, sagt: «Der Trend ist bei uns erst vor Kurzem angekommen – wohl aus Italien.» Dort bekommt man den Sirup nur mit Rezept, in der Schweiz gilt diese Einschränkung nicht. Deswegen liegt es am Apotheker selbst, einzuschätzen, ob ein Minderjähriger verdächtig wirkt. Wie man mit Jugendlichen umgehe, die Makatussin verlangten, sei jedem selbst überlassen, so Balmelli. «Wichtig ist einfach, dass man einen potenziellen Missbrauch verhindert.»
Dies ist nicht immer einfach: Der Apotheker muss dem Kunden einen Grund nennen, weshalb er ihm etwas nicht verkaufen will. «Wenn ein Teenager für seinen Vater Makatussin verlangt, kann ich ihm das nicht verweigern», so Balmelli. Dies sei erst nach unüblich vielen Käufen innert kurzer Zeit möglich.
Missbrauch von Dextromethorphan kann tödlich enden
In der Deutschschweiz ist der Missbrauch von codeinhaltigen Hustensäften bereits seit Längerem ein Thema, wie Stephanie Balliana-Rohrer, Sprecherin des Schweizer Apothekenverbands Pharmasuisse, bestätigt. Viele Junge sind hier aber bereits auf ein neues Rauschmittel umgestiegen: «Weniger bekannt, aber nicht minder problematisch ist der Missbrauch von Hustenmitteln mit Dextromethorphan.»
Dies bestätigt auch Christine Rauber, leitende Ärztin bei Toxinfo Suisse. Der Wirkstoff Dextromethorphan führt ab etwa 100 Milligramm zu Euphorie, Halluzinationen und Dissoziation – dabei befindet sich der Betroffene ausserhalb seines Körpers und kann sich selbst betrachten. Rauber: «Bei einer erheblichen Überdosierung folgen jedoch Koma, Atemdepression und epileptische Krampfanfälle. Im schlimmsten Fall endet dies tödlich.»
Kombination mit Alkohol bringt Todesgefahr
Der Konsum von codeinhaltigem Sirup ist gefährlich: Einerseits entstehen schnell Entzugserscheinungen wie Schmerzen, Krämpfe und Übelkeit. Ein Entzug von Codein kann sogar schmerzhafter und länger als ein Heroinentzug sein.
Andererseits kann der Stoff mit Alkohol kombiniert zum Tod führen Dies weil beide Mittel dämpfend auf die Körperfunktionen wirken. Hoch dosiert können sie einen Atemstillstand verursachen. Wer über längere Zeit codeinhaltigen Hustensaft konsumiert, dem drohen zudem Libidoverlust und Unfruchtbarkeit.