Die etwas anderen Umweltschützer

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EcopopDie etwas anderen Umweltschützer

40 Jahre praktisch unbekannt, gerät die Organisation Ecopop nun ins Scheinwerferlicht - weil sie die Beschränkung des Bevölkerungswachstums fordert. Wer steckt dahinter?

Ronny Nicolussi
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Ronny Nicolussi
Überfüllte Züge, verstopfte Strassen, steigende Wohnungsmieten und Verdrängungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt: alles Folgen der hohen Zuwanderungsraten?

Überfüllte Züge, verstopfte Strassen, steigende Wohnungsmieten und Verdrängungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt: alles Folgen der hohen Zuwanderungsraten?

Zuwanderung als Problem zu thematisieren, galt lange als Tabu. Wer es dennoch wagte, riskierte in die rassistische Ecke gestellt zu werden. Was das bedeutet, weiss Albert Fritschi, Mediensprecher der Vereinigung Umwelt und Bevölkerung (Ecopop) nur zu gut. Bis heute muss er regelmässig gegen das fremdenfeindliche Image der Umweltorganisation ankämpfen. Die Medien schreiben im Zusammenhang mit Ecopop von einer «grün angehauchten», einer «umstrittenen», einer «obskuren» Umweltschutzorganisation.

Dass das so ist, liegt im Ursprung von Ecopop. Unmittelbar nachdem das Schweizer Stimmvolk im Juni 1970 die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach abgelehnt hatte, fand sich auf Initiative von Gottlieb Flückiger eine Arbeitsgruppe zusammen, «die die Bevölkerung für den Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Umweltverschlechterung sensibilisieren wollte». Ein Jahr darauf entstand daraus die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen (SAfB) – heute Ecopop. Kritische Stimmen sahen darin eine Fortsetzung der Überfremdungsinitiative unter dem Deckmantel des Umwelt- und Heimatschutzes, wie die «Basler Zeitung» schrieb.

Mit ein Grund für dieses Image war, dass sich Anfang 1970er-Jahre mehrere bekannte Rechtsaussen-Politiker bei der SAfB engagierten. Unter anderem amtete der ehemalige NA-Präsident Valentin Oehen als Vizepräsident des Vereins. Ecopop-Sprecher Fritschi sagt auf Anfrage von 20 Minuten Online, dass Oehen aber lediglich einer unter vielen gewesen sei: «Zudem müsste man dann erwähnen, dass in jenen Jahren auch die Frauenrechtlerin Anne-Marie Rey SAfB-Mitglied war – und die war alles andere als rechts.»

Taktischer Namenswechsel

Tatsächlich war bereits die SAfB ein parteipolitisch durchmischter Verein. Je nach Leseart ist er auch als Reaktion auf die Aufsehen erregende Studie «Grenzen des Wachstums» des Club of Rome entstanden. Trotzdem hatte die SAfB Mühe, den Rechtsaussen-Mief der Gründerjahre abzuschütteln. Laut «WOZ» war das der Grund für den Namenswechsel 1987 zu Ecopop – auf französisch Association ECOlogie et POPulation. Seit den 1980er-Jahren ist der Verein sichtlich bemüht, sich von fremdenfeindlichen Strömungen abzugrenzen.

Mit Studien, Vorträgen, Tagungen und Ausstellungen predigt Ecopop immer wieder die gleichen Grundsätze: Die Überbevölkerung ist eine wesentliche Ursache der Umweltzerstörung, deshalb muss das Bevölkerungswachstum reduziert werden. Lange fanden diese Anliegen in der Politik kein Gehör, auch wenn unter den Ecopop-Mitgliedern nicht wenige renommierte Professoren waren und sind. Nun scheint sich etwas verändert zu haben. Die Menschen bringen überfüllte Züge, verstopfte Strassen, steigende Wohnungsmieten und Verdrängungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt zusehends mit den hohen Zuwanderungsraten seit der Öffnung der Grenzen zusammen. Die Zeit für Ecopops Anliegen ist reif. Erst Mitte April stimmte der Nationalrat einer Motion von SVP-Ständerat Christoffel Brändli zu, mit der der Bundesrat aufgefordert wurde, Massnahmen vorzulegen, welche die Zuwanderung in die Schweiz in «geordnete Bahnen» lenkten. Laut Fritschi sehen zwar verschiedenste Parteien das Problem, die Finger daran verbrennen will sich jedoch kaum jemand. Die Nationalräte der Grünen, Bastien Girod (ZH) und Yvonne Gilli (SG), könnten davon ein Liedchen singen. Als sie vor zwei Jahren versuchten, Umweltfragen mit Bevölkerungswachstum zu verbinden, bezogen sie aus den eigenen Reihen harte Prügel.

Ärger mit den Schweizer Demokraten

Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass sämtliche Allianzbemühungen Ecopops gescheitert sind. Für Girod ist das Anliegen zu starr, Gilli findet, das Problem könne nicht rein statistisch angeschaut werden, und FDP-Migrationspolitiker Philipp Müller unterstützt Ecopop nicht, weil er durch die Schwelle von 0,2 Prozent ein Ende der Personenfreizügigkeit befürchtet. Offenen Zuspruch erhält die Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» (siehe Infobox) derzeit lediglich von rechts. Die SVP bekundete Sympathie, will beim Sammeln der Unterschriften jedoch nicht helfen. Besonders ärgerlich für Ecopop ist, dass derzeit ausgerechnet die Schweizer Demokraten eine Volksinitiative gegen die Überbevölkerung der Schweiz planen, die auf den ersten Blick fast deckungsgleich mit jener Ecopops ist.

Dies hat jüngst einmal mehr einen Aufklärungs- und Abgrenzungseffort nötig gemacht. Zumal die SD mit der Forderung nach einem ausgeglichenen Wanderungssaldo – also dass immer nur so viele Menschen zuwandern dürfen, wie abwandern – ein Anliegen aufnimmt, das Ecopop in den 1990er-Jahren auch so vertreten hatte. Heute fordert Ecopop mit seiner Initiative, zu der heute Nachmittag die Unterschriftensammlung offiziell startet, einen Wanderungssaldo von 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Also eine Nettoeinwanderung von rund 15 000 Menschen. In den vergangenen Jahren kamen jährlich zwischen 50 000 und 100 000 zusätzliche Menschen in die Schweiz. «Wir haben eingesehen, dass ein Nullsaldo nicht realistisch ist. Mit 0,2 Prozent sollten die Bedürfnisse der Wirtschaft jedoch gedeckt werden können», ist Fritschi überzeugt.

Bürgerliche in der Mehrheit

Der 70-jährige Ökonom und ehemalige leitende Stabsmitarbeiter der ETH Zürich kennt Ecopop in- und auswendig. In den letzten vier Jahre amtete der Sympathisant der Grünliberalen als Geschäftsführer der Umweltorganisation. Zu sagen, wo Ecopop politisch steht, fällt ihm jedoch schwer: «Wir haben mittlerweile rund 800 Mitglieder, da kann man lediglich anhand von Voten an den Mitgliederversammlungen abschätzen, wie jemand politisch denkt.» Er gehe jedoch davon aus, dass die Mehrheit bürgerlich denkende Menschen seien.

Im neunköpfigen Vorstand der Organisation reicht das Spektrum der Mitglieder von SP- bis SVP-Anhänger. Einer ist beispielsweise der Luzerner GLP-Vizepräsident Walter Palmers, der mehrmals vergeblich versucht hat, seine Partei für die Initiative zu begeistern. Ein anderer ist Hans Minder, ehemaliger Freisinniger und Vater des Initianten der Abzocker-Initiative, Thomas Minder. Daneben verfügt Ecopop über ein renommiertes Unterstützungskomitee, in welchem sich hauptsächlich betagte Akademiker engagieren.

Büeler erst seit einem halben Jahr dabei

Wesentlich jünger sind die Mitglieder des Initiativkomitees. Vier sitzen gleichzeitig im Vorstand von Ecopop, vier weitere sind zumindest Mitglieder. Darunter auch der Mann, der in der öffentlichen Wahrnehmung die Anliegen Ecopops vertritt, Benno Büeler. Der 49-Jährige, der als erster Urheber der Initiative geführt wird, bezeichnet sich selbst als primus inter pares. Während die Medien im wortgewandten Baselbieter bereits einen «grünen Messias», einen «Missionar im Auftrag seines ökologischen Gewissens» oder den Ecopop-Führer sehen, ist dieser tatsächlich lediglich der Erste unter Gleichen. Der ehemalige Grüne sei erst vor einem halben Jahr zu Ecopop dazugestossen, wie Mediensprecher Fritschi sagt. Da er eine gute Auftrittskompetenz habe, störe es aber niemanden, dass Büeler nun mehr als alle anderen Ecopop-Mitglieder im Rampenlicht stehe.

Albert Fritschi.

Vier Hauptpunkte der Ecopop-Initiative

1. Der Bund strebt auf dem Gebiet der Schweiz eine Einwohnerzahl auf einem Niveau an, auf dem die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft sichergestellt sind. Er unterstützt dieses Ziel auch in anderen Ländern, namentlich im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.

2. Die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz darf infolge Zuwanderung im dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen.

3. Der Bund investiert mindestens 10 Prozent seiner in die internationale Entwicklungszusammenarbeit fliessenden Mittel in Massnahmen zur Förderung der freiwilligen Familienplanung.

4. Er darf keine völkerrechtlichen Verträge abschliessen, die gegen die Bestimmungen dieses Artikels verstossen oder Massnahmen verhindern oder erschweren, die zur Erreichung der Ziele dieses Artikels geeignet sind.

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