Verstaubtes WaffengesetzWieso dürfen Syrer Waffen kaufen und Türken nicht?
Wegen Kriegswirren dürfen manche Ausländergruppen in der Schweiz keine Waffen besitzen. Nur: Die Liste ist veraltet. Politiker von links bis rechts fordern eine Anpassung.
Die Verordnung zum Schweizer Waffengesetz ist eindeutig: Angehörige der Staaten Serbien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Mazedonien, Türkei, Sri Lanka, Algerien und Albanien dürfen in der Schweiz weder Waffen kaufen noch besitzen. Nur in Ausnahmefällen können die kantonalen Behörden eine Bewilligung erteilen. Hintergrund des Verbots war der Kriegsausbruch im ehemaligen Jugoslawien zu Beginn der Neunzigerjahre, auch Sri Lanka wird wegen des Bürgerkriegs, der bis 2009 andauerte, aufgeführt. Den Eintrag der Türkei erklärt das zuständige Bundesamt für Polizei (Fedpol) mit «Unruhen mit der PKK» und in Algerien hätten «Islamisten in grosser Anzahl Waffen gekauft».
Seit Ende der Neunzigerjahre hat der Bundesrat, in dessen Kompetenz Verordnungsänderungen liegen, die Auflistung nicht mehr angepasst. Wie das Fedpol auf Anfrage schreibt, ist eine regelmässige Aktualisierung nicht vorgesehen – obwohl die Weltpolitik in dieser Zeit alles andere als stehengeblieben ist. Spätestens seit dem arabischen Frühling und den damit verbundenen Kriegswirren stellt sich die Frage, wie zeitgemäss die Auswahl der Konfliktstaaten noch ist. Weshalb darf ein Türke weiterhin keinen Revolver erwerben, während Staatsangehörige aus Syrien, Libyen und Afghanistan – sofern sie die persönlichen Voraussetzungen erfüllen – problemlos an die Waffe kommen?
Auskunft von Sommaruga verlangt
Chantal Galladé, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK), sieht Handlungsbedarf: «Aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Jahre müsste die Verordnung aktualisiert werden.» Der Bundesrat habe «seine Hausaufgaben offenbar nicht gemacht», so Galladé. Sie will von Justizministerin Simonetta Sommaruga in der nächsten Kommissionssitzung Auskunft verlangen.
Ungewohnt einig mit Galladé sind auch ihre bürgerlichen Kommissionskollegen: «Die Kriterien, nach denen die Liste gestaltet wird, müssen überprüft werden», sagt Walter Müller (FDP). SVP-Nationalrat Hans Fehr will die Verordnung ergänzen, auch wenn «aus den nordafrikanischen Ländern fast ausschliesslich Asylbewerber zu uns kommen, die ohnehin kein Recht auf Waffenerwerb haben». Er will das Thema in der nächsten Fragestunde aufs parlamentarische Parkett bringen.
Waffenhandel und innere Sicherheit
Noch im Jahr 2008 sahen Bundesrat und Kantone im Rahmen der Waffengesetz-Revision keinen Anlass für eine Anpassung – unter anderem, weil laut Fedpol weiterhin in grösserem Umfang Waffenhandel betrieben wird, «insbesondere was den Balkan betrifft». Das Bundesamt begründet das partielle Waffenverbot aber auch mit der inneren Sicherheit, so begingen Staatsangehörige der entsprechenden Staaten öfters Waffendelikte. Eine Erklärung, die Hans Fehr gelegen kommt: «In anderen Kulturen hat die Waffe einen anderen Stellenwert, da muss man vorsichtig sein.»
Geht es nach den befragten SIK-Mitgliedern, könnten für Angehörige mancher Staaten die Bedingungen für den Waffenkauf schon bald verschärft werden. Für andere werden sie im Gegenzug womöglich gelockert: «Es ist denkbar, dass man mittlerweile stabile Länder von der Liste streicht», sagt Galladé.