40'558 neue SchweizerZahl der Einbürgerungen steigt – wegen der SVP?
Experten und linke Politiker sehen SVP-Initiativen als Ursache für die gestiegenen Einbürgerungszahlen. Ein SVP-Exponent hat eine andere Erklärung.

Einbürgerungen nehmen wieder zu: Über 40'000 Ausländer haben im vergangenen Jahr den Schweizer Pass erhalten.
Keystone/Yoshiko KusanoVergangenes Jahr haben sich in der Schweiz 40'588 Personen einbürgern lassen. Das sind so viele wie seit sechs Jahren nicht mehr. Besonders stark gestiegen ist die Zahl der erleichterten Einbürgerungen, von denen Kinder mit einem Schweizer Elternteil oder Ehepartner von Schweizern profitieren können: Mit über 9400 Fällen wurde in dieser Kategorie ein neues Allzeithoch erreicht. Die Zahlen stehen in krassem Gegensatz zur Tendenz der vergangenen Jahre. Von 2008, als sich rund 44'400 Personen einbürgern liessen, bis 2014 hatte die Zahl laufend abgenommen.
SP-Nationalrätin Silvia Schenker glaubt, dass die SVP mitverantwortlich dafür ist, dass die Zahlen nun plötzlich wieder steigen. «Die Diskussion über die Ausschaffungs- und Durchsetzungsinitiative führte wohl vielen Secondos vor Augen, dass sie ohne Schweizer Pass nicht dieselben Rechte haben.» Dieselbe Vermutung äusserte auch Etienne Piguet, Spezialist für Migrationsfragen an der Universität Neuenburg. Die Vorlagen hätten ein Klima der Unsicherheit geschaffen.
«Das ist problematisch»
Einen anderen Standpunkt vertritt der Basler Integrationsexperte Thomas Kessler. Wenn überhaupt, dann habe nur die Masseneinwanderungsinitiative die Zahlen in die Höhe getrieben. Erstens komme das zeitlich eher hin, weil eine Einbürgerung bis zu drei Jahre dauere. «Ausserdem lässt sich niemand einbürgern, weil er vorhat, kriminell zu werden – es geht um die Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, die Altersvorsorge und die Visafreiheit.»
SVP-Nationalrat Andreas Glarner will nicht ausschliessen, dass die Vorlagen seiner Partei mitverantwortlich dafür sind, dass sich mehr Leute um den Schweizer Pass bemühen. Allerdings habe er als ehemaliger Präsident der Aargauer Einbürgerungskommission auch festgestellt, dass die Gemeinden die Gesuche zunehmend «einfach durchwinken» würden. «Das ist problematisch.» Die Einbürgerungskriterien müssten verschärft werden, fordert Glarner.
Neue Regeln beschlossen
Bereits beschlossen ist eine Revision des Bürgerrechtsgesetzes. Neu muss ein Ausländer künftig nur noch zehn statt zwölf Jahre in der Schweiz gelebt haben, bevor er sich um den roten Pass bewerben kann. Allerdings werden die Integrationskriterien, die für eine Einbürgerung erfüllt werden müssen, konkretisiert: So muss der Gesuchsteller über ein bestimmtes Sprachniveau verfügen. Sozialhilfebezüger sollen keinen Schweizer Pass mehr erhalten. Auch eine Niederlassungsbewilligung C wird zur Voraussetzung, sobald das revidierte Gesetz in Kraft tritt.
Schenker geht davon aus, dass die Zahl der Einbürgerungen deshalb in naher Zukunft wieder sinken könnte. «Das wäre schade», so die Baslerin. «In einer direkten Demokratie sollten möglichst viele Leute politisch mitentscheiden können.» Anders sieht das Andreas Glarner: «Der Schweizer Pass muss etwas wert sein – da können wir nicht einfach jeden einbürgern».
Für Integrationsexperte Kessler zielt diese Diskussion an der Realität vorbei. Heute erfüllten über 60 Prozent der Migranten in der Schweiz die Bedingungen, um sich einbürgern zu lassen. «Was sie abschreckt, sind nicht sprachliche Anforderungen, sondern die langen und bürokratischen Prozesse.» Er plädiert dafür, dass die Behörden alle Gesuche in maximal drei Monaten erledigen. «Dafür darf verlangt werden, dass die Bewerber den notwendigen Integrationskriterien ganz genügen.»