25 Jahre AutobahnvignetteHelvetische Errungenschaft mit Tücken
Die Autobahnvignette inspiriert Schummler: Präparierte Kleber, Fälschungen und kreative Ausreden halten die Zollverwaltung seit 25 Jahren auf Trab.
Wer ohne den Kleber erwischt wird, zahlt eine Busse - wer allerdings eine Vignette hat, kriegt sie fast nicht mehr los.
Das Problem ist der Klebstoff: Jeden Januar erhalte sein Amt zahlreiche Anfragen entnervter Automobilisten, deren Autobahnvignette hartnäckig an der Windschutzscheibe haften bleibt, sagte Urs Lüchinger von der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) zur Nachrichtenagentur SDA.
Für Unmut sorgte die Autobahnvignette aber auch schon, weil sie nicht kleben wollte: 2005 musste der Bund deshalb mehrere tausend Exemplare auswechseln. «Im Sommer lösten sich die Vignetten bei der grossen Hitze», erinnert sich Zollfachmann Beat Rohner in einem Interview mit «Forum Z.», dem Magazin des Schweizer Zolls.
Bereits 1995 hatte es Ärger mit dem Klebstoff gegeben. Damals beschäftigte die widerspenstige Vignette das ganze Land. In der Tagesschau des Schweizer Fernsehens gab ein EZV-Vertreter schliesslich Entwarnung: Die Polizei werde ausnahmsweise bei nicht klebenden Vignetten ein Auge zudrücken.
Trotzdem kam es zu Missverständnissen, die sogar das Eidgenössische Parlament beschäftigten: Ein ihm bekannter Fahrzeuglenker habe die schlecht haftende Vignette bewusst nicht an die Scheibe geklebt und sei prompt mit 100 Franken gebüsst worden, beschwerte sich der damalige Zürcher LdU-Nationalrat Roland Wiederkehr 1996 in einer Anfrage an den Bundesrat.
Die Landesregierung blieb hart: «Von einer vom Vignettenträger nicht abgelösten Vignette konnte nämlich nicht behauptet werden, sie habe nicht geklebt und sei abgefallen», schrieb der Bundesrat in seiner Antwort. Deshalb sei die Busse korrekt.
Tricks der Vignettensünder
Die Polizei kennt kein Pardon bei vorsätzlichen Vignettensündern. Das Repertoire an Tricks und Ausreden sei gross, sagte Lüchinger, stellvertretender Chef der Sektion Fahrzeuge und Strassenverkehrsabgaben bei der EZV.
Viele Leute kauften zwar eine Vignette, wollten diese aber für mehrere Fahrzeuge benutzen, so Lüchinger. Sie präparierten den Kleber, sodass er sich problemlos wieder von der Frontscheibe abnehmen lasse. Um die Schummelei zu vertuschen, befestigten sie die Vignette unter dem Tönungsstreifen.
Andere benutzten die Sonnenblende als Vignettenhalter, ohne die Klebefolie abzuziehen. Hin und wieder entdeckten seine Leute auch gefälschte Vignetten, sagte Lüchinger: «Das sind gut gemachte Farbkopien.»
Nur in besonderen Fällen drücken die Behörden ein Auge zu: So geschehen im Fall einer Nonne, die in ihrem 2CV ohne Vignette unterwegs war.
Das Grenzwachtpersonal vereinbarte mit der Ordensschwester, dass sie eine Vignette kaufe und auf ihre Art Busse tue: Anstatt der fälligen Geldstrafe sollte sie den Betrag in einen Opferstock werfen. Dasselbe raten die Behörden übrigens auch ausländischen Vignetten-Schummlern, die - gepackt vom schlechten Gewissen - eine Selbstanzeige machen.
Heimliche Casinobesuche
Ganz andere Gründe für die Vignetten-Schummelei haben gewisse Grenzgänger im Tessin, wie Urs Lüchinger weiss: Um in das Casino in der italienischen Enklave Campione d'Italia oder in Bordelle zu gelangen, nutzten viele die Tessiner Autobahn.
Dafür sei eine Autobahnvignette nötig. Um unangenehme Fragen der Ehefrauen zu vermeiden, weigerten sich die Männer, die bekanntlich gut haftende Autobahnvignette an die Scheibe zu kleben.
Allen Tücken zum Trotz: Die bunten Aufkleber bleiben den Automobilisten bis auf Weiteres erhalten. Die Eidgenössischen Räte verwarfen vor rund einem Jahr die E-Vignette, ein elektronisches System zur Erfassung der Autobahnbenutzer.
Vorläufig müssen sich Autofahrer also mit Tricks behelfen, um die hartnäckigen Vignetten Ende Jahr wieder loszuwerden. Urs Lüchinger verrät wie: «Am besten lässt sich der Kleber mit Hilfe eines Glaskeramik-Schabers oder eines Haarföhns entfernen.»
350 Millionen Franken pro Jahr
Seit 1985 müssen Benutzer der Schweizer Autobahnen einen Beitrag an den Strassenbau leisten. Die Autobahnvignette kostet 40 Franken - dafür gibts freie Fahrt für ein Jahr. Jährlich kommen dadurch rund 350 Millionen Franken zusammen.
Rund 40 Prozent aller Vignetten werden laut Eidgenössischer Zollverwaltung an ausländische Fahrzeughalter verkauft. Wer ohne den bunten Kleber auf der Autobahn erwischt wird, zahlt 100 Franken Busse. Vignettensünder werden aber bald härter angefasst: In der vergangenen Frühjahrssession beschlossen die Eidgenössischen Räte, die Busse auf 200 Franken zu verdoppeln.
Der Preis der Vignette wurde bisher erst einmal, 1995, erhöht. Damals stieg er von 30 auf 40 Franken. Weitere Vorstösse sind seither gescheitert.