Anzeigen-Flut wegen PornosDarf ich über Whatsapp Nacktfotos verschicken?
Die Zahl der Anzeigen gegen Jugendliche, die Sexfotos und Gewaltvideos verschicken, hat zugenommen. IT-Rechtsexperte Martin Steiger sagt, was erlaubt ist und was nicht.
Schweizer Jugendliche verbreiten vermehrt Videos mit Gewaltdarstellungen und Pornografie. IT-Rechtsexperte Martin Steiger über No-gos in Gruppenchats und über die Gefahr, im Gefängnis zu landen.
Herr Steiger, darf ein 15-Jähriger seinen gleichaltrigen Kollegen im Gruppenchat ein Bild einer halbnackten Frau schicken?
Besser nicht. Wer Pornografie Jugendlichen unter 16 Jahren zugänglich macht, wer also etwa Fotos mit sexuellem Inhalt oder Sexfilme beispielsweise im Klassenchat verbreitet, kann sich strafbar machen. Ob ein Foto einer halbnackten Frau nur erotisch oder bereits pornografisch ist, kann man nicht pauschal sagen. Letztlich müsste ein Gericht entscheiden. Im Zweifelsfall sollte man im eigenen Interesse darauf verzichten, solche Bilder oder Videos zu verbreiten. Heikel wird es, wenn sich Minderjährige nackt oder bei sexuellen Handlungen fotografieren, denn sie stellen Kinderpornografie her. Plötzlich hat man ein Strafverfahren am Hals, es gibt vielleicht eine Hausdurchsuchung, und der Job und der eigene Ruf, letztlich die Zukunft, stehen auf dem Spiel.
Was sind absolute No-gos in Gruppenchats?
Ein absolutes No-go ist das Versenden von Videos oder Fotos mit verbotener Pornografie mit sexuellen Handlungen mit Kindern, Tieren oder Gewalttätigkeiten. Auch Gewaltdarstellungen wie beispielsweise Hinrichtungsvideos oder Filme, in denen sich Menschen Körperteile abtrennen, sind verboten. Es ist illegal, solche Inhalte zu speichern oder weiterzuverbreiten.
Mache ich mich schon strafbar, wenn ich solche Fotos und Videos zugeschickt bekomme?
Man riskiert ein Strafverfahren, wenn man solche Bilder nicht unverzüglich löscht. Häufig werden Fotos automatisch gespeichert und gelangen in die Cloud, wo sie von amerikanischen Plattformen gescannt werden. Das Bundesamt für Polizei wird über Funde von Kinderpornografie bei schweizerischen Nutzern informiert und die Strafverfolgung nimmt ihren Lauf. Es kann sich also lohnen, bei Whatsapp das automatische Speichern von Bildern zu deaktivieren.
Was ist mit Videos, in denen sich Erwachsene mit Fäkalien vergnügen?
Das kann man für abstossend und primitiv halten. Es ist aber strafrechtlich seit dem 1. Juli 2014 nicht mehr verboten.
Wie soll man reagieren, wenn man problematische Bilder und Videos bekommt?
Am besten löscht man das Bild oder das Video sofort und ruft die Kollegen im Chat dazu auf, nicht länger solches Material zu verschicken. Ein Video kann einen ganzen Gruppenchat in strafrechtliche Schwierigkeiten bringen.
Mache ich mich strafbar, wenn ich problematische Inhalte auf dem Pausenplatz zeige? Oder nur wenn ich sie aktiv weitersende?
Es reicht, wenn man sie auf dem Pausenplatz zeigt. Allerdings ist in diesem Fall die Beweisführung schwieriger. Probleme gibt es meist dann, wenn man digitale Spuren hinterlässt.
Kann man sich eigentlich auch mit Emojis strafbar machen?
Emojis sind eine Kurzform der Kommunikation. Mit dem Bomben-Emoji kann ich genauso eine Bombendrohung ankündigen wie mit Worten. Man kann sich somit genau gleich strafbar machen. Auch das Kuss-Emoji kann je nach Situation eine sexuelle Belästigung darstellen.
Wie gross ist die Gefahr, im Gefängnis zu landen, wenn man illegal Bilder und Videos verschickt?
Minderjährige müssen nur in Ausnahmefällen mit Freiheitsentzug rechnen, da sie noch unter das Jugendstrafrecht fallen. Jugendliche Straftäter werden häufig mit einer Busse aus dem Sackgeld bestraft und müssen einen Medienkompetenz-Kurs besuchen. Man darf aber nicht vergessen, dass ein Verfahren kostspielig sein kann. Erwachsene Ersttäter kommen häufig mit einer Busse und einer bedingten Geldstrafe davon, in schweren Fällen droht aber eine Freiheitsstrafe. Dazu kommen die Verfahrens- und Anwaltskosten. Ausserdem werden Computer und Smartphones eingezogen. Ausländern drohen weitere Folgen, gerade auch im Nachgang zur Ausschaffungsinitiative. Viele Beschuldigte verlieren ihren Job, wenn der Arbeitgeber vom Strafverfahren erfährt, andere verlieren ob der belastenden Verfahren die Motivation, ihre Ausbildung abzuschliessen. Bei Jugendlichen ist das Verhältnis mit den Eltern belastet. Vor allem bei ausländischen Familien beobachte ich, dass die Eltern mit ihren Kindern nicht mehr reden oder die Kinder daheim ausziehen müssen.
Was ist die Faszination, im Klassenchat einen Sexfilm zu posten?
Früher hat man gemeinsam heimlich pixelige Softpornos geschaut, heute postet man Sexvideos in Gruppenchats. Es geht bei Jugendlichen vermutlich häufig um den Reiz, etwas Verbotenes zu tun. Je grösser das Verbotsschild, desto spannender ist es. Jugendliche wollen Grenzen ausprobieren. Das ist denn auch der Grund, wieso das Jugendstrafrecht nicht in erster Linie bestrafen, sondern Jugendliche erziehen und schützen möchte.

Martin Steiger ist IT-Rechtsexperte und Rechtsanwalt