Der Schweiz droht wegen Österreich ein LKW-Chaos

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Kontrollen am BrennerDer Schweiz droht wegen Österreich ein LKW-Chaos

Wird der österreichische Alpenpass Brenner geschlossen, droht der Schweiz eine Lastwagenflut. Alpenschützer schlagen Alarm.

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LKW stauen sich auf der Brennerautobahn. Sieht es in der Schweiz bald gleich aus?

LKW stauen sich auf der Brennerautobahn. Sieht es in der Schweiz bald gleich aus?

Kein Anbieter/Imago

Österreich geht vehement gegen den Flüchtlingsstrom vor – stärker als die meisten anderen europäischen Länder. Nun ist sogar eine Schliessung des Alpenpasses Brenner jederzeit möglich, wie der Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac am Dienstag sagte. Dazu bestehe zwar jetzt noch keine Notwendigkeit, ausschlaggebend sei der «Flüchtlingsandrang». Wird der Pass tatsächlich gesperrt, könnte dies verkehrstechnisch enorme Konsequenzen für die Schweiz haben.

Zu Stau wird es trotzdem kommen

Auf der Brenner-Autobahn sind derzeit vier Kontrollpunkte geplant. Der Verkehr soll auf 30 km/h gedrosselt werden, damit die Beamten Zeit für die Personen- und Sichtkontrollen haben. Die Landespolizei werde versuchen, «alles zu unternehmen, um den Verkehr so flüssig wie möglich zu halten», so Tomac. Doch zu Staus wird es trotzdem kommen. Gemäss dem Deutschen Automobil-Club ist in den Sommerferien sogar mit Wartezeiten von bis zu zwei Stunden zu rechnen.

Dies alarmiert nun Schweizer Alpenschützer. Sie befürchten, dass der Verkehr über unser Land ausweichen wird – allen voran die Lastwagen: «Kommt es am Brenner zum Chaos, werden viele LKW über die Schweiz fahren», sagt Manuel Hermann vom Verein Alpeninitiative zum «Tages-Anzeiger». Zusätzlich könnte auch eine kürzlich von der Tiroler Landesregierung gefällte Entscheidung die Schweizer Strassen strapazieren: Sie wird ab Oktober stufenweise ein zusätzliches Fahrverbot für schadstoffreiche LKW einführen – obwohl die EU dagegen war.

Für 700'000 Lastwagen wäre Gotthard-Route kürzer

Das Verkehrsaufkommen am Brenner ist enorm: Er ist die am stärksten belastete Nord-Süd-Verbindung des Alpenbogens. 12,5 Millionen Fahrzeuge haben 2014 das Nadelöhr zwischen Italien und Österreich passiert. 2,1 Millionen davon waren Lastwagen. Das sind fast doppel so viele wie über alle Schweizer Pässe zusammen.

Für knapp 700'000 dieser LWK wäre der Gotthard die kürzere Route, wie das Bundesland Tirol berechnet hat. Der Grund, dass die Lastwagen dennoch über den Brenner fahren, sind die tieferen Kosten. Die Durchfahrt durch die Schweiz ist aufgrund der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA vergleichsweise teurer.

Schweiz als attraktives Ausweichziel

Der österreichische Verkehrsplaner Helmut Köll bestätigt die Sorgen der Schweizer Alpenschützer. Wie viel Verkehr tatsächlich auf die Schweiz ausweichen wird, hängt seiner Meinung nach davon ab, wie stark der Güterschwerverkehr vom Grenzmangement beeinträchtigt wird. Ausserdem stelle sich die Frage, inwieweit die heute schon bestehenden Grenzkontrollen in Kufstein am deutsch-österreichischen Übergang aufrechterhalten werden. Falls diese bestehen blieben, steige die Staugefahr auf der Route durch Österreich zusätzlich. Dies mache wiederum die Schweiz als Ausweichziel attraktiver.

Der Bund hingegen sieht der Sache ohne Sorgen entgegen: Präventive Massnahmen sind daher keine geplant. Alpenübergänge seien immer mal wieder unterbrochen, zu einer Lastwagenflut sei es aber noch nie gekommen, teilt das Bundesamt für Strassen auf Anfrage des «Tages-Anzeigers» mit. In solchen Situationen wichen die Lastwagen meist auf andere Möglichkeiten aus, auch auf die Bahn.

Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband erwartet ebenfalls «kaum» Ausweichverkehr. Vizedirektor André Kirchhofer widerspricht den Berechnungen des Bundeslands Tirol: Der Umweg über die Gotthard- oder die San-Bernardino-Route sei «noch zeitintensiver» als der Weg über den Brenner.

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