«Das Klischee des Trottel-Deutschschweizers»

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Schneider-Ammann«Das Klischee des Trottel-Deutschschweizers»

Publizist Peter Rothenbühler bezeichnet die Rede von Schneider-Ammann als «Katastrophe». Seine Kommunikationsberater gehörten entlassen.

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In einer französischen Satiresendung von Canal+ wird Schneider-Ammann vorgeführt.

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann sprach am Sonntag im Westschweizer Fernsehen anlässlich des «Tags des Kranken» über Lachen, Humor und Glücksmomente – und machte dabei eine Grabesmiene. Nun lacht selbst das Ausland über die wenig empathische Rede unseres Magistraten.

Peter Rothenbühler, Publizist und ehemaliger Chefredaktor von «Le Matin», bezeichnet den Auftritt als Super-GAU: «Mit dem grotesken Auftritt übertrifft er jeden Komiker.» Yann Lambiel, der «beste Imitator» der Romandie, habe nicht von ungefähr angekündigt, den Beruf zu wechseln, da er mit dem Original nicht mithalten könne.

Vorurteile zementiert

Es sei aber auch «tragisch», wenn der Bundespräsident eine so schlechte Falle mache, sagt Rothenbühler. In der Westschweiz amüsiere man sich auf Kosten der Deutschschweizer: «Mit seinem Auftritt hat er das Klischee des leicht debilen Deutschschweizer Trottels, der keinen Humor hat und nicht reden kann, zementiert.» Auch im Ausland mache man sich mit einer solchen Panne lächerlich.

Komplett versagt habe die Kommunikationsabteilung: «Man hätte ihn schon gar nicht erst über Humor reden lassen dürfen, sondern ihm eine Rede auf den Leib schneidern müssen, die auch ungeschickt vorgetragen funktioniert.» So hätte sich der Wirtschaftsminister lieber mit vernünftigen Worten direkt an die Kranken richten sollen.

Unverständlich sei, dass ihn keiner der 170 Informationsprofis beim Bund davor bewahrt habe, in die Falle zu laufen. Dabei würden diese jeden TV-Auftritt begleiten und mitgestalten. Rothenbühler sagt deutlich: «Man müsste sämtliche Kommunikationsberater von Johann Schneider-Ammann fristlos entlassen.»

Politikberater Mark Balsiger geht weniger hart mit dem Bundespräsidenten ins Gericht. Immerhin hätten sich die Gäste im Studio von Canal+ gekugelt vor Lachen. «Johann Schneider-Ammann kann für sich in Anspruch nehmen, der einzige Schweizer Politiker zu sein, den man in Frankreich kennt.» Sein Image habe er damit aber nicht korrigiert.

Schweigen in Bern

Wortkarg ist man bei Schneider-Ammans Wirtschaftsdepartement, auf dessen Website der Redetext veröffentlicht wurde. Obwohl der Video-Ansprache das offizielle Intro der Eidgenossenschaft vorangeht, will Sprecherin Evelyn Kobelt keine Stellung nehmen. Auch Bundesratssprecher André Simonazzi kommentiert den Auftritt nicht.

Zwiespältige Gefühle löst der Wirbel um die Rede bei den Organisatoren des «Tags der Kranken» aus: «Einerseits freuen wir uns, dass über den Tag geredet wird. Andererseits drohen die guten Aktionen unterzugehen, wenn man jetzt in den sozialen Medien nur noch vom Auftritt des Bundespräsidenten spricht», sagt Sprecherin Nicole Fivaz.

So seien rund 30 Clowns sowie über 130 Musikkapellen in Spitälern und Altersheimen unterwegs gewesen, um Kranke zu erheitern. Für die Rede sei der Bund verantwortlich gewesen. «Wir haben das Motto bekannt gegeben und Hintergrundinformationen zum Thema geliefert.»

Die ganze Ansprache im Video:

Hier gibts die Rede im deutschen Wortlaut.

Auf Twitter ist Schneider-Ammann ebenfalls ein grosses Thema:

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