Schweiz bestraft«Der Gerichtshof hat sich nicht einzumischen»
Die Schweiz muss Schadensersatz an einen Genfer Priester zahlen, der zwei Abhängige sexuell missbraucht haben soll. Gegen den Entscheid in Strassburg regt sich Widerstand.

Der Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander hat kein Verständnis für das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Insgesamt 27'000 Franken muss die Schweiz einem Genfer Priester bezahlen. Dieser hatte seinen Job verloren, weil er zwei Abhängige sexuell missbraucht haben soll. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR in Strassburg befand, dass das Recht auf die Unschuldsvermutung des Priesters verletzt worden sei.
Der Entscheid sorgt für Kritik: «Wir bemängeln schon lange, dass sich der EGMR in innerstaatliche Angelegenheiten einmischt. Denn eigentlich wäre er ja nur dazu da, die Bürger vor der Willkür des Staates zu schützen und nicht vor dem Urteil eines einzelnen Richters», sagt SVP-Nationalrat und Mitglied der Rechtskommission Pirmin Schwander.
«Kirche muss selber entscheiden»
Falls auch nur der Verdacht bestehe, dass der Priester sexuelle Handlungen mit Abhängigen begangen habe, sei es schlussendlich der Kirche selber überlassen, ob sie es moralisch vertretbar findet, weiterhin mit ihm zusammenzuarbeiten – unabhängig davon, ob er tatsächlich verurteilt wurde oder die Tat bereits verjährt ist.
Humanrights.ch räumt zwar ein, dass das Urteil auf den ersten Blick schwer zu verdauen sein. Es scheine einmal mehr, dass der Gerichtshof eine Person schütze, die es nicht verdient habe. Dennoch sei das Urteil richtig: «Der Priester konnte sich nie vor einem Gericht gegen die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe verteidigen. Er wurde von der Öffentlichkeit und von Behörden aufgrund der Meinung des Staatsanwalts für schuldig befunden.»
Er müsste dadurch alle Konsequenzen tragen, die auch ein regulärer Prozess mit anschliessender Verurteilung zur Folge gehabt hätte.» Das EGMR-Urteil zeige, dass rechtsstaatliche Prinzipienhoch gehalten würden und Personen, die einer Straftat beschuldigt werden, nicht wie im Mittelalter der sozialen Ächtung ausgesetzt werden dürften.