FDP-VorstossAkupunktur statt Antibiotika für Kühe
Globuli, Kräuter, Nadelstiche: Weil der übermässige Antibiotika-Einsatz zunehmend Probleme verursacht, sollen die Bauern nun auf Komplementärmedizin umsatteln.
Im vergangenen Jahr sind in der Schweiz 53'384 Kilogramm Antibiotika für Tiere verkauft worden. Über 53 Tonnen Medikamente also, die in den Bauernhöfen an Schweine, Kühe, Hühner und Pferde verfüttert wurden. Das sind zwar weniger als in den Jahren davor – aus Sicht von Fachleuten aber immer noch viel zu viele. Denn durch den übermässigen Einsatz von Antibiotika breiten sich resistente Bakterien aus. Die Medikamente wirken nicht mehr – mit verheerenden Folgen für Tier und Mensch.
Schätzungen gehen davon aus, dass bereits heute in Schweizer Spitälern jährlich rund 2000 Patienten an einer bakteriellen Infektion sterben – ein Teil davon wegen resistenter Erreger. Der Bund will deshalb bis 2015 eine landesweite Strategie erarbeiten, um gegen solche Resistenzen vorzugehen. Die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit forderte kürzlich gar einen generellen Stopp für Antibiotika in der Nahrungsmittelproduktion.

Globuli und Akupunktur
Auch für den FDP-Nationalrat und Landwirt Walter Müller ist es Zeit für ein Umdenken. In einem Vorstoss fordert er den Bundesrat dazu auf, die Komplementärmedizin in der Landwirtschaft zu fördern. «So könnten wir den Antibiotika-Einsatz massgeblich reduzieren und sicherstellen, dass Antibiotika im Notfall bei Mensch und Tier noch wirken.» Er selber habe in der Familie und auf dem Hof sehr gute Erfahrungen mit homöopathischen Heilmitteln gemacht.
Seit drei Jahren können sich Deutschschweizer Bauern im Rahmen des Pilotprojekts Kometian über eine Hotline von Fachleuten zum Thema beraten lassen. Der Schwerpunkt liegt bei Homöopathie, das Angebot umfasst aber auch Akupunktur, Pflanzenheilmittel und anthroposophische Medizin. Der Projektverantwortliche Werner Ammann sagt, er verwende selber vor allem homöopathische Globuli. Selbst schwerkranke Tiere habe er damit schon retten können.
Lebensrettende Kügeli oder Tierquälerei?
Ammann erinnert sich, einmal sei eine Muttersau mit vierwöchigen Ferkeln an Rotlauf erkrankt – einer bakteriellen Erkrankung, die tödlich enden kann. «Sie hatte über 42 Grad Fieber, war heiss wie eine Herdplatte und hat sich nicht mehr bewegt.» Nachdem er ihr ein paar Bella-Donna-Globuli verabreicht habe, sei die Sau innert einer Stunde wieder aufgestanden. Kollegen hätten bei Pferden und Kühen mit Akupunktur ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. Für Müller und Ammann ist klar: Künftig muss jeder Tierarzt an der Hochschule etwas über Komplementärmedizin lernen. Auch Jungbauern sollen entsprechend ausgebildet werden.
Gar nichts von dieser Idee hält der bekannte Immunologe Beda Stadler. Er sagt: «Wenn Menschen nutzlose Präparate nehmen und das auch selber bezahlen, ist das ihr Problem. Wenn man diesen Humbug nun aber auf die Tiere ausdehnt, geht das zu weit. Das ist reinste Tierquälerei!» Wie Stadler sprechen viele Ärzte der Homöopathie jegliche Wirksamkeit ab, da bei der Herstellung von Globuli Wirkstoffe so stark verdünnt werden, bis sie wissenschaftlich nicht mehr nachweisbar sind. Stadler sagt, es sei blosse Einbildung, wenn ein Bauer glaube, dass ein Tier dank Homöopathie wieder gesund geworden ist. «Das Tier hätte sich in diesen Fällen auch ohne die Kügelchen wieder erholt.»
«Dann muss man aufhören mit Chügeli»
Offener gegenüber Müllers Idee zeigen sich andere Landwirte im Parlament. Bauernpräsident Markus Ritter (CVP) sagt: «Inzwischen schwören viele Landwirte auf Homöopathie und auch auf pflanzliche Heilmittel – nicht nur Biobauern, sondern auch ganz traditionelle Leute.» Er und seine Frau setzen auf ihren Hof selber auf die Kraft von Globuli – allerdings nicht in jedem Fall: «Wenn eine Kuh eine akute Euterentzündung mit Coli-Bakterien hat, muss man aufhören mit Chügeli.» Diese Meinung vertritt auch SVP-Präsident und Bauer Toni Brunner: «Es ist sicher sinnvoll, wenn man die Komplementärmedizin fördert – solange man keinen Druck auf die Bauern ausübt, ganz auf Antibiotika zu verzichten.»
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen kann derzeit noch keine Stellung dazu nehmen, ob Komplementärmedizin in der Strategie gegen Antibiotikaresistenzen eine Rolle spielen könnte.