«Katastrophale Zustände» im Tattoo-Geschäft

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Pfusch«Katastrophale Zustände» im Tattoo-Geschäft

Bei der Kontrolle der Tattoo-Studios bestehen grosse kantonale Unterschiede. Der Bund will dem Wildwuchs nun ein Ende setzen.

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Ein Tattoo-Künstler tätowiert die Hand einer Frau. In der Schweiz herrscht bezüglich der Kontrollen der Tätowierer Wildwuchs. «Manche Kantone sind bei der Bekämpfung der Missstände von sich aus schon sehr aktiv, andere machen gar nichts», sagt Natalie Garcia, Geschäftsführerin der einzigen unabhängigen Hygienekontrolle der Schweiz.
Für Luc Grossenbacher, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Berufstätowierer (VST), sind vor allem günstige Privattätowierer verantwortlich für die «katastrophalen Zustände» in der Szene.
Mit der voraussichtlich nächstes Jahr in Kraft tretenden Meldepflicht soll den in den Kantonen teils bedenklichen Zuständen hinsichtlich Hygiene und Farbgebrauch ein Ende gesetzt werden.
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Ein Tattoo-Künstler tätowiert die Hand einer Frau. In der Schweiz herrscht bezüglich der Kontrollen der Tätowierer Wildwuchs. «Manche Kantone sind bei der Bekämpfung der Missstände von sich aus schon sehr aktiv, andere machen gar nichts», sagt Natalie Garcia, Geschäftsführerin der einzigen unabhängigen Hygienekontrolle der Schweiz.

coloubox.com/Morozova Tatiana

Unter den 25- bis 34-Jährigen ist jeder Vierte tätowiert. Aber Vorsicht: Unter den zahlreichen Tätowierern in der Schweiz befinden sich haufenweise Pfuscher. Mangelnde Hygiene bei den Stecharbeiten, giftige Farben – immer wieder fallen Tätowierer durch unprofessionelles Handwerk auf.

In manchen Kantonen können sie dabei tun und lassen, was sie wollen. Im Wallis beispielsweise werden laut Recherchen des «Walliser Boten» kaum Kontrollen durchgeführt. Wie das Team des Tattoo-Studios The Flying Dutchmans aus Naters gegenüber der Zeitung erklärte, seien sie «in zehn Jahren nicht einmal kontrolliert» worden.

Musterschüler Neuenburg und Solothurn

Auch in vielen anderen Kantonen gelten Eigenverantwortung und Selbstkontrolle – es gibt nur Stichprobenkontrollen bei den bekannten Studios. Eine Ausnahme bildet der Kanton Neuenburg. Hier müssen sich die Studiobetreiber bei den für die Hygiene-Vorschriften zuständigen Behörden melden. Auch der Kanton Solothurn präsentiert sich als Musterschüler. «Die 30 Tattoo-Studios werden bei uns regelmässig kontrolliert», sagt der Kantonschemiker Martin Kohler. Zudem würde man unverzüglich aktiv, wenn man von Tätowierern höre, die sich nicht an die Spielregeln halten.

Natalie Garcia, Geschäftsführerin von Eyeco, der einzigen unabhängigen Hygienekontrolle für Tattoo-Studios, bestätigt den Wildwuchs: «Manche Kantone sind bei der Bekämpfung der Missstände von sich aus schon sehr aktiv, andere machen gar nichts.» Momentan sei es so noch jedem Kanton selber überlassen, ob und wie oft er die Studios kontrolliere.

Über die Hälfte der untersuchten Farben fielen durch

Die Folgen: Hepatitis-Gefahr durch mangelnde Hygiene bei den Stecharbeiten, Pfusch, giftige Tinten. 2014 untersuchten die Kantonschemiker über 200 Tätowierfarben und Tinten für Permanent-Make-up. Das Ergebnis war ernüchternd. Über die Hälfte der kontrollierten Produkte mussten aufgrund ihrer gesundheitsgefährdenden Wirkung durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) verboten werden.

Für Luc Grossenbacher, Präsident des Verbands der Schweizerischen Berufstätowierer (VST), sind vor allem günstige Privattätowierer verantwortlich für die «katastrophalen Zustände» in der Szene. «Da es keine strikte Kontrollen gibt, machen diese bei der Hygiene und den verwendeten Farben massive Abstriche.» Oftmals seien die schwarzen Schafe auch auswärtige Tätowierer, «die hier versuchen, etwas abzugrasen, und dann schnell wieder weg sind».

Meldepflicht soll Kontrollen erleichtern

Eine vom BLV und dem VST angestossene Revision des Lebensmittelgesetzes soll diesem Treiben nun ein Ende setzen. Unter den bereits verabschiedeten und voraussichtlich nächstes Jahr in Kraft tretenden Verordnungen befindet sich auch eine, die den Tätowierern eine Meldepflicht gegenüber den zuständigen kantonalen Lebensmittelbehörden auferlegt. So sollen künftig alle Studios und auf eigene Faust Tätowierende erfasst und damit auch kontrolliert werden können.

Angefragte Tätowierer nehmen die Neuerung mit gemischten Gefühlen auf. Grundsätzlich sei es gut, dass die Arbeit der Tätowierer aus der Grauzone herausgeholt werden soll. Es wird aber auch gesagt, dass beispielsweise bei den Farben die Vorgaben in der Schweiz schon sehr strikt seien. Was in Deutschland teils erlaubt sei, sei bei uns unverständlicherweise oftmals verboten.

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