«Noch lauter geworden»Lärmschutzwand der SBB verärgert Anwohner
Tobias Müller wohnt zwischen Zuggleisen und einer stark befahrenen Strasse. Nun hat die SBB eine Lärmschutzwand gebaut – und bringt Müller damit auf die Palme.
An der Brüggstrasse in Biel ist man verärgert. Seit 18 Jahren wohnt Tobias Müller nun schon an der stark befahrenen Strasse. Sein Rückzugsort: ein Garten und eine Terrasse auf der Rückseite des Hauses. Doch hinter dem Haus führt auch die Zugstrecke Biel–Bern und Biel–Solothurn durch. Zudem befindet sich in unmittelbarer Nähe ein Rangierzentrum. Für Müller war dies bisher kein Grund, seine Terrasse ungenutzt zu lassen. «Auch wenn der Ort leider nicht unbedingt ruhig ist, haben wir uns dennoch an den Lärm gewöhnt», sagt Müller zum «Journal de Jura».
Eine Lärmquelle ist der Zugverkehr: «Früher mussten wir während eines Gesprächs auf der Terrasse eine kurze Schweigepause einlegen, wenn ein Zug vorbei fuhr», erzählt Müller. Mit der Aufrüstung des Rollmaterials habe sich die Situation im Laufe der Jahre jedoch deutlich verbessert.
Doppelstöcker verbreiten Lärm
Vor ein paar Jahren wurde Müller dann schliesslich von der SBB darüber informiert, dass eine Lärmschutzwand geplant sei. «Wir schauten diesem Bau mit etwas gemischten Gefühlen entgegen», so Müller. Die Sicht auf die Gleise und darüber hinweg habe seinem Haus einen gewissen Charme verliehen.
Seit letztem Herbst steht nun die Lärmschutzwand. Damit verschwand auch die Aussicht. Doch laut Müller ist der Geräuschpegel kaum gesunken. Zwar sei der Lärm bei manchen Zügen auf der Strecke Biel–Bern etwas weniger geworden, weil aber praktisch nur noch doppelstöckige Züge fahren, werde dieser Effekt wieder aufgehoben. Denn der Lärm verbreite sich vom oberen Stock der Waggons über die Mauer hinweg.
«Wir haben oft das Gefühl, jemand ist im Garten»
Hinzu komme, dass die Wand lediglich den Lärm einer Linie dämme. Die Züge auf der Strecke Biel–Solothurn seien nach wie vor gleich laut. Und auch die Rangierarbeiten in der Nacht seien noch genauso gut zu hören wie früher, da die Wand von der Lärmquelle zu weit weg stehe. Schliesslich bestünden die Güterzüge auch oft aus altem, lauterem Rollmaterial.
Der Aufenthalt auf der Terrasse und im Garten sei wegen der Wand mittlerweile unerträglich geworden. Denn der Verkehrslärm hallt von der Wand wider. «Da es sich um Geräusche von Autos und Menschen handelt, haben wir oft das Gefühl, jemand sei in unserem Garten», erzählt Müller.
Schlaf ist wichtiger als Kaffeepause
Sein Problem: Müller hat den Lärmpegel vor dem Bau der Wand nicht gemessen. Somit kann er auch nicht beweisen, dass die Geräusche lauter geworden sind. Trotzdem hat er sich bereits an die SBB gewandt und die Verantwortlichen eingeladen, auf seiner Terrasse einen Kaffee zu trinken, um sich ein Bild zu machen.
Von der SBB kam auch tatsächlich eine Antwort: Eine Lärmschutzwand sei nicht dazu da, eine geräuschvolle Umgebung in eine Ruhezone zu verwandeln. Dank der Wand sei der Pegel um rund 12 Dezibel gesunken. Da der Rangierlärm die Leute in der Nacht beim Schlafen störe – selbst wenn sie sich dessen nicht unbedingt bewusst seien –, habe eine Reduktion um über 10 Dezibel mehr Nutzen als der Unterschied bei einer Kaffeepause auf der Terrasse, heisst es in der Antwort.
Dass andere Geräusche von der Wand reflektiert werden, könne die SBB nicht ausschliessen. Allerdings komme der Strassenlärm von der Seite und von unten, weshalb er nach oben abgeleitet werde. Deshalb sei die Terrasse nur von einem Teil des Lärms betroffen. Den Aufenthalt auf Müllers Terrasse macht das allerdings nicht unbedingt angenehmer.