Urban GardeningHerr und Frau Schweizer versorgen sich vom Balkon
Was früher Geranien und Petunien waren, sind heute Tomaten, Himbeeren und Obstbäume. Viele Schweizer züchten ihr Essen mittlerweile im Topf.
Balkone werden immer häufiger zu Anbaugärten. Wo früher in der Regel Blumen standen, finden sich immer öfter Tomaten, Himbeeren, Kürbisse, Gurken und Apfelbäume.
«Unter dem Stichwort Urban Gardening hat sich ein Trend hin zu Früchten, Beeren, Gemüse und Kräutern entwickelt. Es werden immer mehr solche Pflanzen gesetzt, die dann direkt ab Strauch oder in der Küche verwendet werden», bestätigt Othmar Ziswiler, Leiter Gärtnerischer Detailhandel beim Verband Jardin Suisse.
Sortiment ausgebaut
Weshalb die Schweizer ihre Früchte mittlerweile lieber selbst anbauen, dafür gebe es verschiedene Gründe. «Der Balkon ist zum erweiterten Wohnzimmer geworden und zum Gartenersatz», sagt Ziswiler. Der Mensch fühle sich mit Pflanzen wohler, zudem gebe es viele Neuzüchtungen, die speziell für den Anbau auf dem Balkon gedacht seien.
Michèle Bucher, Sprecherin bei Hornbach Baumarkt AG, bestätigt den Trend ebenfalls. «Die Kunden pflanzen gern Gemüse, Kräuter, aber auch Früchte in Hochbeeten oder Pflanzkasten an.» Besonders beliebt seien bei Gemüse und Kräutern die Bio-Produkte. «Aus diesem Grund haben wir unser Gemüse- und Kräutersortiment seit drei Jahren ausgebaut», sagt Bucher.
Lebensmittelskandale sind schuld
Und der Trend macht längst nicht bei Sträuchern halt. «Mittlerweile sind auch Obstbäumchen gefragt», sagt Karin Kook, Gründerin des Netzwerks Balkongarten. Dabei handle es sich um Säulenobst, das direkt am Stamm des Baumes wachse. Dieser bleibe klein und sei deshalb auch containertauglich. Das bestätigt auch Jardin-Suisse-Gartenexperte Othmar Ziswiler: «Mini-Obstbäume, wie etwa Aprikose oder Apfel, werden gern auf den Balkon gestellt.»
Häufigster Fehler: zu kleine Töpfe
Laut Kook gibt es die Nutzpflanzenanbau auf Balkonen eigentlich schon länger. «Blättert man in Balkongarten-Büchern der 80er- und 90er-Jahre, waren es eher ältere Frauen, die sich dafür interessierten.» Dass der Trend nun auf jüngere Generationen übergeschwappt sei, habe vielfältige Ursachen. Heute lebten etwa mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und: «Die Nahrungsmittelproduktion hat sich so weit vom eigenen Teller entfernt wie nie zuvor. Der Trend wird begleitet von Einbussen an Nährstoffen und Geschmack und auch von Lebensmittelskandalen.»
Balkongärtner müssten aber einiges beachten. Der häufigste Fehler sei, zu kleine Töpfe zu verwenden, sagt Kook. So trockneten die Pflanzen schnell aus und würden anfällig für Läuse. Je nach Sonneneinstrahlung müsse man zudem die Sortenwahl anpassen. Generell könne man aber fast alle Pflanzen auch auf Balkonen anbauen. Grenzen setzten hauptsächlich der Platz und die Wasserversorgung bei Abwesenheit.
Regeln des Vermieters
Nicht nur das: Gemäss einer Mitteilung des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands muss auch darauf geachtet werden, dass die bauliche Tragfähigkeit gewährleistet ist. Schwere Pflanzentröge, die zu einem Balkonabsturz führen können, sind nicht erlaubt. Bei grösseren Pflanzen rät der Verband deshalb, sich mit dem Vermieter abzusprechen.
Zudem müssten Mieter darauf achten, dass die Pflanzen nicht über den Balkonbereich hinauswachsen. Gewisse Vermieter verbieten auch Blumenkisten auf der Aussenseite des Balkons. In manchen Fällen können sie auch darüber bestimmen, welche Art Bepflanzung zulässig ist, etwa bei einem repräsentativen Gebäude im Zentrum einer Stadt. Ansonsten darf auf den Balkonen spriessen, was in den Töpfen wächst.