Frauen fühlen sich von Apothekern gedemütigt

Aktualisiert

Fragen zur «Pille danach»Frauen fühlen sich von Apothekern gedemütigt

Viele Frauen beklagen sich darüber, dass sie beim Kauf der «Pille danach» Fragen beantworten müssen, die zu weit gehen. Apotheker würden sie ausserdem vorverurteilen.

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Bevor sie die «Pille danach» ausgehändigt bekommen, müssen Frauen in manchen Apotheken unangenehme Fragen beantworten.

Bevor sie die «Pille danach» ausgehändigt bekommen, müssen Frauen in manchen Apotheken unangenehme Fragen beantworten.

Jasper Juinen

In die Apotheke zu gehen, um nach der «Pille danach» zu fragen, verlangt vielen Frauen einiges an Mut ab. Wie es scheint, machen es ihnen die Apotheker auch nicht erträglicher: Eine wesentliche Anzahl Frauen fühlt sich verurteilt, wenn nicht sogar erniedrigt, nachdem sie in der Apotheke nach der Notfallpille gefragt hat, wie «Le Matin» berichtet. Sie müssten sich ironische, moralische und entwürdigende Sprüche gefallen lassen.

Mit Prävention haben einige kaum mehr etwas zu tun. Das Vorgehen ärgert auch Berufskollegen. Noëllie Genre, Pharmazeutin und Soziologin, sagt zur Zeitung: «Das sind schlechte Erfahrungen. Es ist schade, wenn es so schlimm verläuft.» Die Pharmazeuten hätten die Aufgabe zu lernen, mit den Patientinnen ohne Vorurteile in Kontakt zu treten. «Sobald man zu werten beginnt, funktioniert es nicht mehr. Selbst die Moral geht schon über professionelle Ethik hinaus», sagt Genre.

«Ich werde jetzt lügen»

Einige Apotheker stellen bei der obligatorischen Befragung der Frauen sogar Fragen über das Vergnügen oder die Stellungen beim Sex. Eine Betroffene erzählt: «Die Fragen des Pharmazeuten wurden zu detailliert. Im Bett? Im Stehen? Hatten Sie Spass daran? Ich bin ohne Pille wieder gegangen.» Eine andere berichtet: «‹Läuft wenigstens noch etwas?›, hat mich die Apothekerin in einem verächtlichen Ton gefragt. Und ‹Kennen Sie ihn wenigstens?›»

Einer 31-Jährigen wurde in der Apotheke gesagt: «Um eine Standpauke zu vermeiden, werde ich jetzt lügen.» Eine 27-jährige Frau erzählt, dass sie gefragt wurde, ob sie wisse, wie Kinder gezeugt werden. Die Reaktion auf ihre Antwort: «Und was denken Sie? Dass es reicht, zum Heiligen Geist zu beten, um nicht schwanger zu werden?» Eine 30-Jährige habe zudem einen Schwangerschaftstest vor den Augen der Apotheker machen müssen, um die «Pille danach» zu erhalten.

Hormondosis ist enorm

Für Genre ist dieses Verhalten alles andere als in Ordnung. «Es ist einfach skandalös.» Solche Details zum Geschlechtsakt seien keinesfalls nötig. Genre rät den betroffenen Frauen deshalb, danach zu fragen, auf welcher medizinischen Grundlage die Frage beruhe.

Das obligatorische Gespräch sollte eigentlich dazu dienen, Risiken einzudämmen. Durch eine Befragung können Apotheker helfen, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, denn das Medikament hat es in sich. Alexandre Grand-Guillaume-Perrenoud, Arzt und Doktor in pharmazeutischer Wissenschaft: «Die Hormondosis, die in einer ‹Pille danach› enthalten ist, ist enorm.»

Patientinnen sind misstrauisch

Der Arzt erinnert daran, dass man die Apotheke ohne Probleme wechseln könne. Doch nicht jede Kritik sei auch gerechtfertigt. Während manche Frauen sich darüber beklagten, sie hätten die Pille vor den Augen der Apotheker einnehmen müssen, beschwichtigt Grand-Guillaume-Perrenoud: «Sie denken, so verhindern zu können, dass die Pille zum Beispiel als Reserve für später oder zum Weitergeben an andere gebraucht wird.» Ausserdem sei das Misstrauen der Patientinnen bei Schuldgefühlen umso grösser. Es sei deshalb wichtig, diese abzubauen. Denn nicht jede Frage zum Privatleben sei unprofessionell.

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