Studie wirft Fragen aufIst die Schweizer Armee schwulenfeindlich?
Eine Analyse zeigt: Homosexuelle Soldaten haben es in der Schweiz schwieriger als im Rest Westeuropas. Das sei Quatsch, sagt der Präsident des Vereins Schwuler Offiziere.

Länder in Pink: Hier ist die Armee schwulen- und lesbenfreundlicher als in dunkel eingefärbten Ländern.
Eine Studie hat die Armeen dieser Welt darauf untersucht, wie offen sie mit Schwulen und Lesben umgehen. Das Fazit der Autoren: In der Schweiz steht es für Homosexuelle nicht zum Besten. Im Ranking landet die Schweizer Armee hinter England, Frankreich, Deutschland – und sogar Kroatien oder Ungarn (siehe Box).
Bei der Schwulenorganisation Pink Cross ist man darob nicht überrascht. «Homosexuelle haben es in der Armee schwer», sagt Sprecher Mehdi Künzle. Dass jemand über seine Homosexualität spreche, sei nicht erwünscht – so wie das auch in Sportklubs der Fall sei. «Das Thema wird totgeschwiegen.»
Konservative Armee
Für Alan Sangines, Co-Präsident der SP-Kommission für sexuelle Orientierung, kommt das Resultat ebenfalls nicht unerwartet: «Schwule haben es in unserer Gesellschaft immer noch schwer – in der konservativen Armee erst recht.» Mit dazu trage die Gesetzgebung bei, sagt Sangines. So würden für Homosexuelle laufend Sondergesetze geschaffen. «Die Aussage lautet: Ihr seid fast gleichwertig, aber eben nur fast.»
Ganz anders interpretiert Beat Steinmann die Studie. «Das ist Chabis», sagt der Präsident des Vereins Schwuler Offiziere über die Resultate. «Die Schweiz nimmt weltweit eine Vorreiterrolle ein, was die Rechte von Homosexuellen in der Armee betrifft.» So lernten die Militärkader, darauf zu achten, dass in ihren Kompanien niemand wegen seines Schwulseins diskriminiert werde. «Und wird doch jemand schikaniert, hat sich sein Vorgesetzer vor ihn zu stellen.» Der Fehlbahre sei per Befehl zu sanktionieren.
Ein weiterer Anhaltspunkt für die Offenheit der Armee gegenüber Homosexuellen ist laut Steinmann die Anzahl von schwulen Kadern. So gebe es wohl in wenigen anderen Armeen mehr geoutete Sternegeneräle als in der Schweiz.
«Jeder Kommandant ist eine Ansprechperson»
Eine spezielle Ansprechstelle für Homosexuelle gibt es laut Steinmann zwar nicht. «Jeder Kommandant, jeder Offizier ist eine Ansprechperson.» Auch Armeepsychologen seien für Gespräche da. Wer das nicht wolle, könne sich direkt an den Verein der Schwulen Offiziere wenden. Dabei zeigten die Zahlen, wie klein dieses Problem sei: «In den letzten drei Jahren hatten wir einen einzigen Fall.»
Alles in Ordnung also? Nein, sagt selbst Steinmann. «40 Prozent der Schweizer haben ein Problem mit Schwulen.» Diese Homophobie zeige sich auch in der Armee: «‹Tu doch nicht so schwul› ist immer noch eine häufige Beschimpfung, um jemandem unmännliches Verhalten zu unterstellen.» Deswegen oute der Verein der Schwulen Offiziere auch niemanden. «Die Angst vor Diskriminierung, die man aus dem Zivilleben mitnimmt, ist in der Armee ebenfalls da.»
Wie ist es, als Homosexuelle/r in der Armee zu dienen? Schreiben Sie uns an feedback@20minuten.ch
Zur Studie
Eine Studie des Hague Center for Security Studies kommt zum Schluss, dass es Schwule und Lesben in der Schweiz schwieriger haben als in Deutschland, England, Spanien oder Holland. Von 103 untersuchten Ländern landet die Schweiz auf dem 28. Platz. Die Studie untersuchte, ob sich Armeeangehörige für Schwulen und Lesben einsetzen, ob es in der Armee spezielle Ansprechpartner für Homosexuelle gibt, und wie die Rechtslage von Homosexuellen im Land allgemein aussieht.