Prostitutionsverbot«Freier und Zuhälter könnten Frauen erpressen»
43 Nationalräte wollen Prostitution in der Schweiz unter Strafe stellen. Fachorganisationen warnen: Ein Verbot würde Menschenhandel nicht bekämpfen, sondern sogar noch ankurbeln.
Frau Seytter, im Sexgewerbe werden viele Frauen ausgenützt und misshandelt. 43 Nationalräte fordern nun ein Verbot von Prostitution. Warum soll die Prostitution in Ihren Augen legal bleiben?
Susanne Seytter*: Mit einem Verbot kriminalisieren wir Frauen und Männer in der Sexarbeit und machen damit ihre Situation nicht besser. Die Arbeit von schätzungsweise 20'000 Menschen würde auf einmal illegal. Denn es ist ja nicht so, dass plötzlich Nachfrage und Angebot verschwinden, sondern das Ganze muss im Verborgenen ablaufen.
Mit welchen Folgen?
Die Stellung der Sexarbeiterinnen wird durch ein Verbot geschwächt. Werden sie Opfer von Gewalt, können sie nicht zur Polizei gehen. Ausserdem werden sie erpressbar – Vermieter und Zuhälter können mehr Geld, Freier beispielsweise Sex ohne Kondom verlangen, mit der Drohung, die Frauen sonst zu verraten.
Ein Argument der Verbots-Befürworter ist der Kampf gegen den Menschenhandel. Zu Unrecht?
Ja – ein Verbot würde den Menschenhandel nicht verringern oder gar stoppen. Im Gegenteil: Sexarbeiterinnen aus dem Ausland könnten künftig nicht mehr selbstständig in die Schweiz reisen und hier legal arbeiten. Sie wären auf Drittpersonen, also Menschenhändler und Zuhälter angewiesen, um herzukommen. Diese Personen könnten sich also noch mehr bereichern, während die Sexarbeiterinnen vermehrt ausgenutzt würden oder Gewalt ausgesetzt wären.
In Schweden bestrafen die Behörden die Freier mit Geldstrafen oder Gefängnis bis zu einem halben Jahr, die Prostituierten werden nicht belangt. Wäre dies nicht eine Lösung?Auch das ist kontraproduktiv. Denn wenn der Kunde sich strafbar macht, wird das ganze Gewerbe automatisch in die Illegalität gedrängt und verstärkt die Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen, die ja auf Kunden angewiesen sind. Es führt zur absurden Situation, dass sie auch noch besorgt sein müssen, dass die Freier nicht von der Polizei verhaftet werden. Die Prostitution nimmt auch nicht ab dadurch, wie von der Regierung unabhängig durchgeführte Untersuchungen gezeigt haben. Die Kontaktaufnahme zwischen Freier und Prostituierten findet einfach weniger häufig auf dem Strich oder im Bordell, sondern vielmehr übers Internet oder am Telefon statt.
Wenn nicht mit einem Verbot. Wie könnte man den Menschenhandel eindämmen?
Es braucht in erster Linie sensibilisierte Polizisten, die erkennen, ob eine Frau freiwillig anschaffen geht oder unter Druck gesetzt wird. Da haben wir in der Schweiz schon viel erreicht. Ausserdem benötigen die Frauen leicht zugängliche Beratungsangebote und einen aufenthaltsrechtlichen Schutz. So, dass sie bei der Polizei Hilfe suchen können, ohne Angst, abgeschoben zu werden.
*Susanne Seytter arbeitet für die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration