Hier ist jeder Zwanzigste ein Millionär
Das Dorf liegt an liebliche Hügel gekuschelt zwischen Bodensee und Säntis. Von den 5700 Einwohnern sind rund 300 Millionäre. Ausserrhodens heimlicher Hauptort wird immer mehr zum Eldorado für Reiche.
Ältere Herren entsteigen in edlem Outfit schwarzen Porsches auf dem Migros-Parkplatz. Die jungen Mütter sind perfekt gestylt und gebräunt. Die Kleinen tragen Designer-Jeans oder rosa Röckchen.
Teufen hat seit Jahrzehnten eine der tiefsten Steuerbelastungen der Region. Kurzfristig sah es sogar so aus, als ob das Dorf, dank degressivem Steuerfuss für Superreiche, zur steuergünstigsten Gemeinde der Schweiz würde noch vor dem Spitzenreiter Wollerau SZ. Das Volk sagte Ja, doch das Bundesgericht pfiff den Kanton zurück.
Neid auf Rosinenpicker
Dennoch: Längst wohnen Prominente und Reiche im Dorf auf der Sonnenterrasse, unter ihnen der Lista-Verwaltungsratspräsident und erfolgreiche Autorennfahrer, Fredy A. Lienhard. Der Trainer des FC Basel, Christian Gross, baut gegenwärtig in Teufen ein Haus.
Das reizt immer wieder den Neid der steuergeplagten Städter in St. Gallen: Sie wettern über die Steuerflüchtlinge. Die Teufner Rosinenpicker benutzten die Infrastruktur der Stadt, Theater, Einkaufsmöglichkeiten, Parkplätze ohne Gegenleistung.
Sie vergessen dabei, dass sie an schönen Wochenenden in die Erholungsräume des Appenzellerlands fahren. Teufen ist eines der Einfallstore und leidet unter den St. Galler Abgasen.
Blumenstrauss
Der Teufner Gemeindepräsident, Gerhard Frey, der frühere St. Galler Swisscom-Chef, ortet die Anziehungskraft seines Dorfs nicht allein im Steuerfuss: Die Standortattraktivität Teufens ist wie ein Blumenstrauss mit verschiedenen schönen Blüten, sagt er.
Die herrliche Wohnlage sei wichtiger als tiefe Steuern. Wegen der Topografie ist es unmöglich, Mietskasernen oder Hochhäuser zu erstellen. Ebene Grundstücke sind Raritäten.
Der Nachteil: Grössere Gewerbebetriebe zogen weg. Arbeitsplätze gingen verloren. Die Preise für Bauland schnellten in die Höhe. Dafür haben wir eine intakte Umwelt. «Der Gemeinderat hat beschlossen, keine neuen Baugebiete einzuzonen», sagt Frey.
Industriezonen gibt es in Teufen nicht. Immer mehr Dienstleistungsbetriebe, darunter IT-Firmen, siedelten sich an, so beispielsweise gate24.
Junge Gewerbetreibende klagen, sie fänden keine günstige Wohnung. Frey widerspricht: Eine günstige 5 1/2-Zimmer-Wohnnung war drei Monate lang auf dem Markt. Sie interessierte keinen.
«Superbergschule»
Die Schule sei ein weiterer Pluspunkt, so Frey: «Neun von zehn Kindern sprechen Deutsch. Talschulen haben hohe Ausländeranteile. Wir sind eine 'Superbergschule'. Unser Schulsystem ist mustergültig. Wir erfanden die Verschmelzung von Real- und Sekundarschule. Die Musikschule ist voll integriert, die Tagesstrukturen sind beispielhaft.»
Teufens Reichtum weckt Begehrlichkeiten - auch innerkantonal: 2007 zahlt Teufen 2,094 Mio. Fr. in den kantonalen Finanzausgleichstopf. Damit liegt die Abschöpfungsquote bei 25 Prozent. Das ist mehr als ein Zehntel. Im Kantonsrat warnte Frey: Im Mittelalter seien jeweils Revolutionen ausgebrochen, wenn die Abgaben den Zehnten überschritten hätten.
Andere Ausländer
Vor Jahrzehnten galt Teufen bei Abstimmungen als Referenzgemeinde. Die Bevölkerungsstruktur entsprach ungefähr dem Schweizer Durchschnitt.
Das trifft nicht mehr zu: Der Ausländeranteil liegt bei neun bis zehn Prozent. In der Schweiz beträgt er 20 Prozent. «Und wir haben andere Ausländer», sagt Frey. Er meint Gutbetuchte. Der Wohneigentumsanteil liegt in Teufen bei 50, gesamtschweizerisch bei 33 Prozent. (sda)