Das antworten Parteichefs den Klima-Schülern

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«Wieso tut die Politik nichts?»Das antworten Parteichefs den Klima-Schülern

Seit Wochen fordern Schüler mit Klimastreiks Schweizer Politiker zum Handeln auf. Jetzt konfrontieren sie die Parteipräsidenten mit ihren Fragen.

eke/the
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Sie lassen nicht nach: Unter dem Motto «Machen ist wie wollen, nur krasser» rufen Schweizer Schüler am Samstag zu den nächsten Klimastreiks auf. In der ganzen Schweiz fordern sie mit ihren Streiks von der Politik die Ausrufung des Klimanotstandes. Die Erderwärmung soll als Krise anerkannt werden. Um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, schwänzen die Jugendlichen sogar die Schule und nehmen Strafen in Kauf: Gymnasiasten in Payerne, die wegen der Streiks einen Mathetest verpasst hatten, bekamen vom Lehrer eine Eins.

Ein Dialog zwischen Schülern und Politikern ist bis jetzt aber noch nicht entstanden. 20 Minuten hat darum die Fragen der streikenden Schülerinnen Lena Merz aus Luzern und Livia Benedict aus Basel den Parteichefs vorgelegt.

«Vor welcher Folge des Klimawandels fürchten Sie sich am meisten?»

Petra Gössi, FDP: «Ich habe Respekt davor, dass ihr Schüler und die kommenden Generationen unsere schöne Natur nicht mehr im gleichen Masse geniessen können wie wir.»

Christian Levrat, SP: «Die Erwärmung unseres Planeten ist die grösste Bedrohung, der sich die Menschheit heute gegenübersieht: ökologisch, ökonomisch und sozial. Das Klima könnte einen Kipppunkt erreichen, der irreversible Folgen hat. Ohne rasche Massnahmen nehmen Naturkatastrophen, Ernährungsprobleme und Verdrängungskonflikte zu.»

Albert Rösti, SVP: «Die letzten Jahre haben die Schweiz verschiedentlich mit grossen Niederschlägen, Murgängen und Überschwemmungen, aber auch Trockenheit getroffen. Entsprechend müssen wir Präventionsmassnahmen wie Bachverbauungen eine hohe Bedeutung beimessen.»

Regula Rytz, Grüne: «Ich fürchte mich davor, dass die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen immer knapper werden, also Wasser, Nahrung, sichere Lebensräume. Wir setzen unsere Zivilisation aufs Spiel.»

Gerhard Pfister, CVP: «Die Schweiz ist als Alpenland vom Klimawandel überdurchschnittlich stark betroffen. Gletscherschwund, der Rückgang von Permafrost, zunehmende Trockenheit und extreme Wetterereignisse, der Verlust von Biodiversität etc. sind nur einige Beispiele, was für Folgen der Klimawandel für die Schweiz hat.»

«Wie gehen Sie konkret auf unsere Forderungen ein?»

Gössi: «Wir fordern, dass das CO2-Gesetz wirkungsvoller wird. Im Nationalrat haben wir dem CO2-Gesetz klar zugestimmt, auch wenn wir nicht mit allen Beschlüssen einverstanden waren. Wir waren bereit für einen wichtigen Schritt vorwärts, und das neue Gesetz wäre auch deutlich wirksamer als das heutige gewesen. Nur hat es leider eine Mehrheit von Sozialisten und Konservativen abgelehnt, weil sie keine Kompromisse machen wollten..»

Levrat: «Ich teile die Forderungen der Klimademonstranten voll und ganz. Die SP fordert seit langem global ein deutlich stärkeres Engagement für den Klimaschutz und die Energiewende. Der Schweizer Finanzmarkt darf ab 2025 keine Investitionen in die Erschliessung fossiler Energieträger mehr tätigen, und die Strassenmobilität muss elektrifiziert werden, sodass es ab 2040 keine Verbrennungsmotoren mehr gibt. Die Energiewende muss für alle Menschen finanzierbar und sozialverträglich ausgestaltet sein.»

Rösti: «Die aktuelle Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen durch eine linke Lehrerschaft ist reine Panikmache und wird von uns verurteilt. Wenn euch das Klima ein echtes Anliegen ist, sollt ihr ausserhalb der Schulzeit demonstrieren.»

Rytz: «Wir Grünen engagieren uns seit vielen Jahren für eine klimaverträgliche Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik. Wir haben die gleichen Ziele wie ihr Klimastreikenden. Eure Entschlossenheit hilft uns, im Bundeshaus rascher vorwärts zu kommen.»

Pfister: «Die CVP ist sehr enttäuscht über die Ablehnung des CO2-Gesetzes. Als einzige Kraft hat sich die CVP für eine mehrheitsfähige Lösung eingesetzt und steht nach wie vor dafür ein. Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Die CVP hält es für nicht realistisch, diese Forderung bereits 20 Jahre vorher erreichen zu können. Es ist zudem wichtig, dass die Bevölkerung und auch die Wirtschaft bei diesem Anpassungsprozess einbezogen werden.»

«Wie wollen Sie dem Klimawandel entgegenwirken, und wieso tut die Politik nichts?»

Gössi: «Die FDP will weg von einer starren Verbotspolitik und hin zu einer umsichtigen und nachhaltigen Klimapolitik. Dafür braucht es innovative, umsetzbare Lösungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Wir wollen Schritt für Schritt weiterkommen. Es scheint aber, dass vor allem die links-grünen Parteien einfach stur ihren Willen durchsetzen wollen.»

Levrat: «FDP und SVP machen gar nichts gegen den Klimawandel. Im Gegenteil: Mit ihrer umweltschädlichen Politik heizen sie das Klima weiter auf. Es braucht neue Mehrheiten in Bern, um den Klimawandel zu stoppen. Der Bundesrat hat es gar gewagt, eine Gesetzesvorlage vorzuschlagen, die die Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung halbiert. Was wir tun müssen, ist das genaue Gegenteil: Wir müssen den ökologischen Umbau vorantreiben und den CO2-Ausstoss auf null reduzieren. Damit die Schweiz bis 2045 klimaneutral wird, muss der Umbau des Energiesystems schneller vorangetrieben werden.»

Rösti: «Die Schweiz ist führend bei Klimaforschung und Präventionsmassnahmen und kann und soll hier weltweit als Vorbild dienen. Ein neues CO2-Gesetz ist unnötig. Eine weitere Verteuerung der Energie in der Schweiz reduziert die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, damit wird mehr importiert (z.B. Fleisch aus Südamerika, Palmöl aus Indonesien), was letztlich für das Klima kontraproduktiv ist.»

Rytz: «Alle können individuell sehr viel tun. Doch ohne politische Massnahmen wie Lenkungsabgaben oder verbindliche Reduktionsziele schaffen wir die Transformation ins postfossile Zeitalter nicht. Wenn das Parlament keine Flugticketabgabe beschliesst, werden wir Grünen eine Initiative lancieren. Im Bundeshaus gibt es Parteien, die bremsen, und solche, die vorwärtsmachen. Die Wahlen im Herbst werden deshalb zur Klimawahl.»

Pfister: «Dank der CVP hat sich die Schweiz bereits 2012 das Ziel gesetzt, die Treibhausgasreduktionen vollständig im Inland zu tätigen. Wir werden uns als Partei auch in Zukunft für weitere solche Ziele im Inland einsetzen. Die Schweiz macht übrigens heute schon einiges, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Beispielsweise setzt sie sich auch international dafür ein, die Treibhausgase zu reduzieren, spielt bei den internationalen Verhandlungen eine aktive Rolle und setzt sich für strikte Ziele und Kontrollen ein.»

Frage von 20 Minuten: «Haben Sie sich mit den jungen Klimaaktivisten schon einmal unterhalten?»

Gössi: «Nein, aber ich habe mich mit Schülern der Oberstufe und mit drei Abschlussklassen in einem Gymnasium unterhalten. Da habe ich gespürt, dass sie nachhaltige Lösungen für die Zukunft erwarten. Das gilt sowohl für die Klimapolitik als auch für die Sozialversicherungen.»

Rösti: «Nein, ich sehe den Sinn dahinter auch nicht.»

Levrat: «Ja, mehrmals. In Bern etwa habe ich mich mit einem der Organisatoren der Demonstration ausgetauscht. In Freiburg sprach ich mit einem 15-jährigen Jungen, der sich seinem Schuldirektor entgegengestellt hatte, um an der Demonstration teilnehmen zu können. Und schliesslich fast jeden Tag zu Hause: Meine Tochter war eine der Sprecherinnen in Freiburg.»

Rytz: «Ja, ich kenne einige persönlich und weiss deshalb: Es ist ihnen ernst. Das gibt mir die Hoffnung, dass wir es doch noch schaffen können!»

Pfister: «Nein, aber in meinem früheren Beruf als Lehrer war ich tagtäglich mit Jugendlichen im Austausch. Auch heute treffe ich regelmässig an Veranstaltungen auf junge Menschen, die sich für die Umweltpolitik und andere Themen interessieren und engagieren wollen. Ich begrüsse das politische Engagement dieser Jugendlichen.»

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