«Deutsche fühlen sich einsam in der Schweiz»

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Rückläufige Zuwanderung«Deutsche fühlen sich einsam in der Schweiz»

Seit zehn Jahren hat es nicht mehr so wenig Deutsche in die Schweiz gezogen wie letztes Jahr. Grund dafür: Unsere Nachbarn finden keinen Job und keine Freunde.

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Deutsche haben keine Lust mehr auf die Schweiz.

Deutsche haben keine Lust mehr auf die Schweiz.

Die Deutschen bleiben der Schweiz fern: Kamen 2008 noch rund 30'000 Deutsche in die Schweiz, waren es laut den neusten Zahlen des Bundesamts für Migration in der Zeit von August 2013 bis August 2014 nur knapp über 6000. Das sind so wenig wie seit über zehn Jahren nicht mehr, schreibt die «Aargauer Zeitung».

Die Netto-Zuwanderung aus Portugal betrug im selben Zeitraum über 10'000 Personen. Die Portugiesen haben die Deutschen 2012 als grösste Zuwanderungsgruppe verdrängt.

*2014: August 2013 bis August 2014

Höhere Hürden für Deutsche

Wie lässt sich diese Abnahme erklären? Laut Daniel Heuer, Vizedirektor der Handelskammer Deutschland-Schweiz, ist vor allem die hiesige Konjunktur ausschlaggebend. Schweizer Betriebe seien bei Investitionen und der Aufstockung des Personals zurückhaltender und würden weniger Ausländer einstellen. «Wir haben in der Schweiz eine gewisse Sättigung erreicht.» Diese Entwicklung werde unter anderem durch die Masseneinwanderungs-Initiative und den hohen Frankenkurs verstärkt. «Solche Entscheide schaffen bei Firmen Unsicherheiten, was sich schlussendlich auf die Personalpolitik und die Zuwanderung auswirkt.»

Dass die Deutschen bei Schweizer Arbeitgebern weniger willkommen sind, spürt auch Matthias Estermann, Gründer des Vereins für Deutsche in der Schweiz. «Die Hürde für Deutsche in der Schweiz einen Job zu finden, ist deutlich höher geworden.» Er wisse von Fällen, in denen eine Person 60 bis 70 Bewerbungen für eine Stelle in der Schweiz geschrieben habe. Alle seien abgelehnt worden. «Einer Person wurde sogar per E-Mail mitgeteilt, dass in diesem Unternehmen explizit keine Deutschen beschäftigt werden.»

«Deutsche Wirtschaft boomt»

Die ablehnende Haltung den Deutschen gegenüber bleibe nicht ohne Reaktion, sagt Headhunter Guido Schilling. So hätten Deutsche unterdessen selbst keine Lust mehr, in ein Land zu kommen, in dem sie nichts als Missgunst erwarten würde. «Warum sollen die Deutschen an einen Ort kommen, wo sie nicht willkommen sind, wenn es in ihrer Heimat ebenfalls gut läuft?» 2008 sei bei zehn Anfragen für Kaderpositionen in der Schweiz auf neun positiv reagiert worden, heute seien es noch eins bis zwei.

Auch Daniel Heuer von der Handelskammer sagt, es sei «falsch zu denken, dass alle Ausländer nur darauf warten, hierherkommen zu können. Nicht jeder Deutsche will in die Schweiz, auch wenn dies viele glauben.» Die Arbeitsmarktlage in Deutschland sei äusserst günstig. «Die deutsche Wirtschaft boomt und an gewissen Orten ist die Arbeitslosigkeit geringer als in der Schweiz.» Vor allem für gut ausgebildete Deutsche sei es attraktiver, in ihrem Land zu bleiben.

Deutsche finden keine Freunde

Doch nicht nur wirtschaftliche Aspekte führen zu einer geringeren Zuwanderung. «Viele Deutsche haben Schwierigkeiten, in der Schweiz Freunde zu finden, sie fühlen sich einsam», sagt Estermann vom Verein für Deutsche. Sicher fünfzig Prozent von ihnen würden innerhalb der ersten fünf Jahre die Schweiz wieder verlassen. Fritz Burkhalter, Gründer vom Swiss German Club, bestätigt: «Viele Deutsche finden in der Schweiz keine Freunde und fühlen sich hier darum nicht wohl.»

Für Personalberater Schilling eine gefährliche Entwicklung: «Sobald die Wirtschaft wieder schneller wächst, wird es für die Firmen eine Herausforderung werden, genügend qualifizierte Personen rekrutieren zu können.» Ein entsprechendes Wachstum erwarte man bereits für das nächste Jahr. «Dann wird die Schweiz die Zeche dafür zahlen müssen, dass wir heute so nachteilig mit den Deutschen umgegangen sind.»

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