«Gott kann nicht wollen, dass ich nicht liebe»

Aktualisiert

Kirchenaustritt wegen Huonder«Gott kann nicht wollen, dass ich nicht liebe»

Igor Bandalo (38) ist schwul. Mit der katholischen Kirche war der Ex-Ministrant sein Leben lang eng verbunden. Nun hat er seinen Austritt erklärt.

von
J. Büchi
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Nach den umstrittenen Äusserungen von Bischof Huonder trat Igor Bandalo aus der römisch-katholischen Kirche aus.

Nach den umstrittenen Äusserungen von Bischof Huonder trat Igor Bandalo aus der römisch-katholischen Kirche aus.

Igor Bandalo hat die Entscheidung, mit der er über zehn Jahre lang gerungen hatte, gefällt. Am Donnerstag schickte er den Brief ab. Eingeschrieben, unwiderruflich. Er trete per sofort offiziell aus der römisch-katholischen Kirche aus, teilte er seiner Kirchgemeinde mit. Als Schwuler ertrage er die «menschenverachtenden» Äusserungen des Churer Bischofs Vitus Huonder nicht mehr.

Für manche Menschen mag ein Kirchenaustritt ein kleiner Akt der Rebellion sein, für andere bedeutet er nichts weiter als eine Steuererleichterung. Für Bandalo hingegen ist der Austritt ein Bruch mit seiner Vergangenheit. Er verliere damit einen Teil seiner Identität, sagt der 38-Jährige. Als Kind kroatischer Eltern wuchs Igor streng katholisch auf. In seiner Heimatgemeinde war er Ministrant, später Mitglied der Liturgiegruppen und des Pfarreirates.

«Liebesverbot»

«Meine Religiosität und meine Homosexualität standen für mich nie im Widerspruch», sagt er. «Ich habe den Bischof Haas überlebt im Churer Bistum, blieb der katholischen Kirche trotz den wiederkehrenden homophoben Äusserungen all die Jahre treu.» Nach der Wahl von Papst Franziskus habe er Hoffnung geschöpft, dass der Weg für eine Öffnung der katholischen Kirche endlich frei wird. «Doch nun bin ich zur Einsicht gelangt, dass ich diese Wende wohl nicht mehr erleben werde.»

Er sei es leid, sich für seine sexuelle Orientierung rechtfertigen zu müssen, sagt Bandalo. Die Aussage von Bischof Huonder, homosexuelle Handlungen seien aus theologischer Sicht «nicht zu billigen», bedeuteten für ihn faktisch ein Liebesverbot. «Wenn mir der Weg zu Gott verstellt wird, nur weil ich liebe, dann ist etwas falsch. Gott kann nicht wollen, dass ich nicht liebe.» Diese Erkenntnis war es, die seinen Entscheid, auszutreten, besiegelte.

Zwei schwule Pfarreimitglieder

Es ist nicht so, als ob es Bandalo als Schwuler in einem konservativen Umfeld bisher leicht gehabt hätte. Für seine Eltern brach eine Welt zusammen, als sie erfuhren, dass ihr einziger Sohn Männer liebt. «Auch nach 15 Jahren sind sie noch hin und her gerissen zwischen Tradition und Glauben auf der einen Seite und Verständnis und Liebe zu ihrem Kind auf der anderen.» Von seinem Glauben aber fühlte er sich immer getragen. Auch von den Mitgliedern der Kirchgemeinde, die über seine Sexualität informiert waren. «Sie sahen immer den Menschen in mir», sagt Bandalo rückblickend.

Neben ihm habe es noch einen zweiten Schwulen gegeben in der Pfarrei. Die wenigen, die damals ein Problem damit hatten, hätten sich dem Gespräch gestellt. «Ältere Kirchenmitglieder haben ihr Unwohlsein zum Ausdruck gebracht – diese Spannungen konnten aber offen ausgetragen und überwunden werden.» Niemals habe sich jemand so geäussert wie Vitus Huonder.

«Wie Zürcher oder Basler sein»

Das Problem der römisch-katholischen Kirche sei, dass es zu viele «ignorante Machtmenschen» im Mittelbau gebe, analysiert Bandalo – selbsternannte Seelsorger, die sich nicht um die Seele ihrer Schäfchen sorgten. «Die Kirche bewegt sich so immer weiter weg von der Gesellschaft.»

Mit dem Glauben hat Bandalo trotzdem nicht abgeschlossen. Nun will er Gottesdienste der altkatholischen Kirche besuchen, die Homosexuelle segnet und die Unfehlbarkeit des Papstes ablehnt. Zu den Reformierten überzutreten, ist für den Bankangestellten hingegen kein Thema. Dafür sei er definitiv zu katholisch aufgewachsen. «Das ist so, wie du irgendwie einfach Zürcher oder Basler bist. Da wechselt man das Lager irgendwie einfach nicht.»

Kirchen-Sprecher befürchtet weitere Austritte

Die umstrittenen Äusserungen des Bischofs von Chur könnten zu einem Anstieg der Kirchenaustritte führen. Dies befürchtet Aschi Rutz, Sprecher der katholischen Landeskirche Zürich. «Es gehen deutlich mehr Mails von Gläubigen ein, die empört ihren Austritt ankündigen oder fragen, wie sie ihren Austritt formal bekannt geben müssen.» Auf der Homepage werde zudem rund zehn Mal häufiger nach den Begriffen «Austritt» oder «Mitgliedschaft» gesucht als an normalen Tagen.

Offizielle Zahlen zu den Austritten der letzten Wochen sind noch keine erhältlich. Auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen laut Rutz aber, dass umstrittenen Äusserungen von Würdenträgern oder Skandale meist nicht ohne Folge bleiben. Den absoluten Höchststand erreichten die Austritte 2010, nachdem die katholische Kirche von mehreren Missbrauchsskandalen erschüttert wurde. «Aussagen wie jene von Vitus Huonder schaden der katholischen Kirche Schweiz insgesamt massiv», hält Rutz fest. Die Katholische Kirche im Kanton Zürich versuche deshalb klar zu zeigen, wofür sie stehe: «Wir sind für alle Menschen da. Wir heissen alle willkommen.» (jbu)

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