Pauschalbesteuerter packt aus«Der Wohlstand hat Schweizer träge gemacht»
Was denkt ein Pauschalbesteuerter über die Abschaffung der Pauschalsteuer? Sven Marcuson über Gerechtigkeit, Sportautos und Auswanderungspläne.

Der pauschalbesteuerte Sven Marcuson* sammelt leidenschaftlich gerne Sportautos. «In meiner Heimat müsste ich dafü zwei- bis dreimal mehr bezahlen. Ich kann mir in der Schweiz mit weniger Geld mehr leisten.»
Sven Marcuson* ist reich. Sehr reich. Wie reich genau will er nicht sagen. Zehn Millionen Franken aber hat er mindestens auf dem Konto, denn der Skandinavier ist pauschalbesteuert. Marcuson lebt seit mehreren Jahren in einer Zuger Gemeinde in einer grosszügigen Wohnung, hat ein Ferienhaus im Wallis und einen weiteren Wohnsitz in Frankreich. Der 46-Jährige will nicht mit seinem Namen genannt werden oder sich fotografieren lassen. Das Treffen findet in einem mit schlichten, aber edlen Möbeln ausgestatteten Büro in der Stadt Zug statt. Marcuson ist hochgewachsen, trägt Anzug ohne Krawatte. Mit dabei ist auch sein Schweizer Steuerberater.
Herr Marcuson, Sie leben als Pauschalbesteuerter in der Schweiz. Wie sind Sie eigentlich reich geworden?
Reich – was heisst das schon? Meine Eltern hatten in meiner skandinavischen Heimat ein Textilunternehmen. Dieses habe ich als Direktor und Vorstandsmitglied weitergeführt. Ich habe hart gearbeitet. Aber wohlhabend wurde ich erst, als ich die Firma vor meinem Zuzug in die Schweiz verkauft habe. Ich hatte also eine ganz normale Kindheit und besuchte eine öffentliche Schule.
Nach dem Verkauf der Firma haben Sie sich entschieden, in die Schweiz auszuwandern. Weshalb?
In meinem Heimatland hätte ich 70 Prozent meines Einkommens versteuern müssen. Meine Frau und ich haben uns überlegt, wo wir sonst leben könnten. Der Entscheid ist auf die Schweiz gefallen. Denn hier ist das Wetter schöner und die Lebensqualität ist höher. Für Familien ist die Schweiz ein gutes Land. Inzwischen spreche ich fliessend Deutsch, ich bin in Sportklubs, sage immer schön Grüezi, trenne den Müll und fahre nicht zu schnell.
Aber die Tatsache, dass Sie hier pauschalbesteuert werden, hat doch sicher auch eine Rolle gespielt?
Die Pauschalbesteuerung war sicherlich ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige. Schliesslich ist die Schweiz nicht gerade ein günstiger Ort zum Leben. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kostet hier alles sehr viel Geld. Aber das Gesamtpaket hat gestimmt, vor allem auch wegen der Möglichkeit zur Besteuerung nach Aufwand.
In der Schweiz müssen Sie im Vergleich zu Ihrem Herkunftsland keine Luxussteuer bezahlen. Verlockend?
Ja, dies war mit ein Grund, warum ich in die Schweiz gekommen bin. Ich sammle leidenschaftlich gerne Sportautos. In meiner Heimat müsste ich für einen schönen Sportwagen zwei- bis dreimal mehr bezahlen. Ich kann mir in der Schweiz mit weniger Geld mehr leisten.
Sie würden also nicht auswandern, wenn die Pauschalbesteuerung abgeschafft würde?
Doch, das würde ich durchaus in Betracht ziehen. Am ehesten nach England, wo ich bereits gelebt habe und mindestens ebenso attraktive Bedingungen vorfinde, wie die Schweiz sie heute kennt.
Als Pauschalbesteuerter dürfen Sie nicht arbeiten. Wird es Ihnen da nicht langweilig?
Manchmal schon (lacht). Das ist der Preis, den ich in Kauf nehmen muss. Es ist tatsächlich nicht immer einfach. Gerade wenn man noch so jung ist wie ich.
Dann sitzen Sie zu Hause und denken …
… was mache ich jetzt? Ich muss mir viel bewusster überlegen, was ich mit meiner Zeit anfangen will.
Was fangen Sie denn mit Ihrer Zeit an?
Zeit ist für mich der grösste Luxus. Ich habe Zeit, mich den schönen Dingen des Lebens zu widmen, etwa dem Reisen. Ich bin aber auch als Investor tätig. Ich habe hier in Zug in eine Firma investiert und so 25 Arbeitsplätze geschaffen. Das ist etwas, was die Gegner der Pauschalbesteuerung oftmals verkennen: Die Schweiz profitiert von uns reichen Ausländern: Wir zahlen jährlich nicht nur einen erheblichen Beitrag zum Steueraufkommen des Gemeinwesens – ich persönlich weit über 200'000 Franken pro Jahr –, sondern wir investieren, schaffen Arbeitsplätze, konsumieren, kaufen Immobilien und unterstützen gemeinnützige Institutionen. Ich persönlich werde auch keine AHV beziehen.
Viele Schweizer finden es aber nicht gerecht, dass reiche Ausländer wie Sie bevorzugt behandelt werden. Haben Sie den einfachen Bürgern gegenüber kein schlechtes Gewissen?
Ich werde nicht bevorzugt behandelt. Ich bin gerne bereit, meinen Beitrag an das Steueraufkommen zu leisten. Somit sehe ich mich nicht als Nutzniesser des Systems – im Gegenteil.
Aber es wäre doch gerechter, wenn Arme und Reiche gleich behandelt würden. Oder nicht?
Das ist die falsche Frage. Es geht nicht darum, ob das System gerecht ist oder nicht. Wenn es die Pauschalbesteuerung nicht gäbe, dann wäre ich gar nicht da und viele andere Pauschalbesteuerte auch nicht.
Haben die Initianten denn einen falschen Gerechtigkeitssinn?
Viele Initianten verkennen die Realität. Es wäre doch fatal für die Schweiz, wenn ihr Steuereinnahmen von rund einer Milliarde entgehen würden. Damit würde sie sich doch nur ins eigene Fleisch schneiden.
Sollte man also besser eine Ungerechtigkeit in Kauf nehmen, damit es der Schweiz wirtschaftlich besser geht?
Ja, alles andere macht meines Erachtens keinen Sinn.
Wie definieren Sie den Begriff Gerechtigkeit?
Das ist eine schwierige Frage (überlegt). Alle müssen einen Beitrag an die Allgemeinheit leisten. Aber dieser Beitrag muss im Verhältnis stehen. Es stellt sich die Frage, wo das Geld besser platziert ist – beim Staat, oder wenn es privat investiert wird.
Es gab in der Vergangenheit in der Schweiz noch andere Initiativen, die sich gegen Reiche gerichtet haben: Die Zweitwohnungs-, die Abzocker- oder die 1:12-Initiative. Die Erbschaftssteuer-Initiative wird folgen. Können Sie die Wut der Menschen gegen Reiche nachvollziehen?
Nein. Das Erfolgsmodell Schweiz wird damit Schritt für Schritt abgebaut. Ich glaube, der Wohlstand hat gewisse Schweizer träge gemacht. In meinem Heimatland schiessen die Bürger auch gegen die Reichen – aus Neid. Sie wollen genau das Gleiche haben wie die Wohlhabenden, aber ohne dafür entsprechend zu arbeiten. Mein Heimatland ist ein hundertprozentiger Sozialstaat. Alles muss gleich sein. Nur wird nicht alles gleich gut, sondern gleich schlecht. Ich hoffe, dass sich die Schweiz nicht in diese Richtung entwickelt.
Sie sind also froh, dass Sie nicht mehr dort leben?
Oh ja. Ich gehe pro Jahr höchstens eine Woche in mein «Heimatland» zurück. Acht bis neun Monate lebe ich in der Schweiz.
Sie besitzen mehrere Autos und Wohnsitze. Über Ihre finanzielle Lage müssen Sie sich keine Gedanken machen. Macht Sie das glücklich?
Nein. Glück hat nichts mit Geld zu tun. Was mich glücklich macht, ist meine Familie.
*Name geändert