Gefahr für HundeTodbringende Krankheit nähert sich der Schweiz
Leishmaniose breitet sich immer weiter aus. Der Hundeimport, der Klimawandel und die Mobilität der Menschen können die Seuche auch in die Schweiz bringen.
Gerade mal vier Millimeter misst eine Sandmücke, doch von diesem Insekt geht grosse Gefahr aus: Sie überträgt Leishmaniose, eine Krankheit, die vor allem für Hunde tödlich enden kann. Wegen des gehäuften Auftretens dieser Mücke haben die Behörden in Korsika und Südfrankreich Alarm geschlagen. «Die Krankheit, die in allen mediterranen Ländern präsent ist, breitet sich gerade weiter in den Norden aus», sagt Gilles Bourdoiseau, Spezialist der Parasitologie an der Veterinärschule in Lyon zu «Le Matin»
Klimawandel als Problem
Die Ausbreitung der Krankheit beschäftigt auch Schweizer Veterinäre. Marc-Antoine Bosshart, Tierarzt in Genf: «Ich mache mir Sorgen.» Zwar glaubt er nicht, dass es in nächster Zeit so weit kommt, dass Hunde in der Schweiz mit Leishmaniose angesteckt werden. «Doch Gefahr droht, wenn die Leute ihr Tier in die Ferien mitnehmen, die sie in einer der Risikozonen verbringen. Darauf müssen wir die Leute sensibilisieren.»
Dies bestätigt auch die Basler Tierärztin Gabrielle Brunner: «Wir haben fast wöchentlich Fälle von Leishmaniose positiven und auch erkrankten Hunden. Man kann aber davon ausgehen, dass sie sich im Ausland angesteckt haben», sagt Brunner. «Durch den Klimawandel, den häufigeren Hundeimport und die vermehrte Mobilität der Menschen mit ihren Haustieren werden wir wohl künftig immer mehr mit der Krankheit konfrontiert sein.»
Sandmücke ist bereits in der Schweiz
Gemäss Experten existiert die Sandmücke, die Leishmaniose übertragen kann, in der Schweiz: «Verschiedene Arten der Sandmücke kommen hier bereits vor», sagt «Netz Natur»-Moderator und Biologe Andreas Moser. Fügt aber an: «Die Mücken sind zwar hier, der Erreger war aber – abgesehen von importierten Einzelfällen – bisher nicht in der Schweiz präsent.»
Auch wenn sich der Erreger weiter nördlich ausbreiten sollte, wird er im Moment laut Moser Schwierigkeiten haben, sich hier zu etablieren: «Um eine Krankheit übertragen zu können, müssen sich die Erreger in den Überträgermücken weiterentwickeln», sagt Moser. «Dies ist nur in warmen klimatischen Verhältnissen möglich.» Dort, wo es winterliche Temperaturen gebe, werde diese Entwicklung unterbrochen, wie bisher in der Schweiz. Doch: «Durch die Klimaerwärmung könnten sich in Zukunft die Grenzen solcher parasitärer Krankheiten nach und nach etwas nach Norden verschieben.»
Kreislauf hat eine Chance
Dass die Sandmücke bereits in der Schweiz ist, bestätigt auch Bruno Gottstein des Instituts für Parasitologie an der Uni Bern: «Es gibt bereits ältere Studien aus dem Tessin, wo Phlebotomus perniciosa nachgewiesen worden ist. Phlebotomus perniciosa ist eine der Sandmückenarten, die Leishmanien effizient übertragen können.»
Die Aussage von Moser, dass die winterlichen Temperaturen den Kreislauf aufhalten würden, kann Gottstein nicht bestätigen. «Damit der Erreger hier eine Chance hat, brauche es lediglich eine gewisse Anzahl infizierter Hunde», sagt Gottstein. «So kann der Kreislauf jeden Sommer neu beginnen und sich festigen.»
Hunde aus dem Ausland sollte man testen
Deshalb sieht er genau wie Tierärztin Brunner den Hundeimport als Problem: «Wenn wir Hunde aus dem Mittelmeerraum importieren, die den Erreger in sich tragen, sorgen wir dafür, dass die infizierte Biomasse des Parasiten wächst.» Dadurch könne sich der Erreger in der Schweiz allmählich etablieren. Deshalb sollten Hunde, die aus dem Ausland importiert werden, zuerst getestet werden.
Obwohl sich der Erreger in der Schweiz bisher nicht etabliert hat, konnten laut Gottstein in der Schweiz sogenannte autochthone Fälle beim Hund nachgewiesen werden, also Hunde, die nie im Ausland waren. «Wie bei diesen Hunden die Infektion übertragen wurde, konnte nie genau ermittelt werden», sagt Gottstein. «Wir gehen jedoch davon aus, dass die Leishmaniose bei Raufereien auch direkt von Hund zu Hund übertragen werden kann.»
Krankheit ist unheilbar
Ist ein Tier einmal mit Leishmaniose angesteckt, lässt sich die Krankheit nicht mehr beseitigen. In den sechs bis zwölf Monaten nach der Infektion zeigen sich verschiedene Symptome wie Läsionen der Haut und der Augen oder Haarausfall. Zwar ist die Krankheit nicht heilbar, die Symptome lassen sich jedoch mit Medikamenten in den Griff bekommen – unbehandelt kann sie zum Tod führen.
Tierarzt Bosshart rät Hundehaltern deshalb zu Präventionsmassnahmen, um ihren Vierbeiner vor einer Ansteckung zu bewahren: Seit 2011 existiert ein entsprechender Impfstoff. Zudem kann man sein Tier mit speziellen Halsbändern schützen – oder Produkten, die sich auf die Haut auftragen lassen.
Eine Gefahr auch für Menschen?
Die Krankheit kann sowohl bei Tieren (Hunden) als auch bei Menschen vorkommen. Die Ansteckung der Leishmaniose erfolgt vorwiegend über die Sandmücke, beziehungsweise der Schmetterlingsmücke. Darüber hinaus ist eine Übertragung der Leishmaniose über Bluttransfusionen möglich. Tiere und Menschen mit Hautverletzungen können sich aber auch infizieren, wenn sie beispielsweise mit erregerhaltigen Sekreten von Geschwüren oder Fisteln kranker Hunde in Kontakt kommen. Gemäss Experten ist dieses Risiko jedoch äusserst klein.
Die Leishmaniose kann je nach Form der Krankheit (kutan, mukokutan oder viszeral) beim Menschen Hautveränderungen wie Bibeli, Papeln und Geschwüre verursachen, die Schleimhäute im Nasen-Rachenbereich befallen oder schwere Leber-, Milz- oder Knochenmarkschäden verursachen. Die WHO schätzt, dass weltweit etwa 12 Mio. Menschen mit den Erregern infiziert sind, jährlich kommen etwa 2 Mio. Neuerkrankungen dazu. Laut Experten ist die Krankheit bei immunkompetenten Menschen gut behandelbar. Da das Immunsystem für die Heilung notwendig sei, könne es bei immunkranken Personen bei der viszeralen Leishmaniose zu Schwierigkeiten kommen.