Brav bis 15, danach aber wild wie noch nie

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Drogen in der SchweizBrav bis 15, danach aber wild wie noch nie

Die neuste Analyse des Schweizer Suchtverhaltens ist da: Es sieht nicht rosig aus – vor allem bei den älteren Jugendlichen.

von
num
Jugendliche greifen später zu Suchtmitteln  dafür umso mehr.

Jugendliche greifen später zu Suchtmitteln dafür umso mehr.

Keystone/Martin Ruetschi

11'000 Todesfälle, 10 Milliarden Franken Folgekosten: Das sind die harten Zahlen, die durch das Suchtverhalten der Schweizer verursacht werden. Sucht Schweiz veröffentlichte am Montag das Suchtpanorama 2016. Es ist eine Analyse über die aktuellen Konsumtrends in der Schweiz und über die Probleme, die diese mit sich bringen.

Und die Forscher des nationalen Kompetenzzentrums weisen bedenkliche Ergebnisse vor: Noch immer raucht jede vierte Person in der Schweiz, gut jede fünfte trinkt zu viel oder zu oft Alkohol, und drei Prozent der Bevölkerung haben im letzten Monat Cannabis konsumiert. Hinzu kommt ein neues Phänomen: Problematische Internetnutzung.

Ältere Jugendliche schlagen über die Stränge

In der Gesamtbevölkerung hat sich das Konsumverhalten über alles gesehen nicht wesentlich verändert, kommt die Analyse zum Schluss. Allerdings gibt es einige bedenkliche Entwicklungen. Mediensprecher Markus Meury sagt: «Am auffälligsten sind die Veränderungen bei den 15- bis 19-Jährigen. Hier nimmt der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis zu – und wir wissen nicht genau, warum.»

Allerdings sind 11- bis 15-Jährige zurückhaltender geworden, wenn es um Alkohol und Tabak geht – dafür schlagen sie danach mehr über die Stränge. Bei den 15- bis 19-Jährigen nimmt zum Beispiel seit 2011 das Rauschtrinken kontinuierlich zu.

«Verhäuslichung» der Jugendlichen

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich beim Tabak: Unter den 11- bis 15-Jährigen sinkt der Anteil der Rauchenden seit 2002, bei den 15- bis 19-Jährigen gibt es Anzeichen, dass diese wieder vermehrt zum Glimmstängel greifen. Das gleiche Bild zeigt sich beim Cannabis-Konsum.

Über die Gründe können die Forscher derzeit nur spekulieren. Die erfreulichen Ergebnisse – die zurückhaltenden jüngeren Jugendlichen – könnten auf ein grösseres Gesundheitsbewusstsein oder erfolgreiche Suchtprävention schliessen lassen. Zudem gebe es gemäss neuen Studien gewisse Anzeichen einer «Verhäuslichung» der jüngeren Generation, so dass diese weniger bzw. später mit Suchtmitteln in Kontakt kommt.

Neue Sucht: Internet

Seit das Internet auf den Smartphones für alle jederzeit verfügbar ist, steigt auch das Risiko der problematischen Nutzung. Unter den 12- bis 19-jährigen Jugendlichen besitzen bereits 95 Prozent ein Smartphone und sind täglich mehrere Stunden im Internet. Dabei sind die Messenger führend, danach folgen Filme und Games.

Die Folgen sind nicht zu unterschätzen: Bei Erwachsenen kann eine problematische Internetnutzung zu psychischen Auffälligkeiten wie Depressionen oder Angststörungen führen. Bei den Jugendlichen zu familiären Problemen, fehlenden H0bbys, Aufmerksamkeitsstörungen oder Hyperaktivität.

70'000 Personen verlieren Kontrolle

Und die Zahlen, die das Suchtpanorama 2016 publiziert, zeigen auch hier eine dramatische Entwicklung. Nach den Suchtmonitoring-Daten von 2015 verliere 1 Prozent der Bevölkerung die Kontrolle über ihr Nutzverhalten. Sucht Schweiz schreibt: «Das sind immerhin gut 70'000 Personen; bei den 15- bis 19-Jährigen sind es gar 7,4 Prozent.»

Zählt man noch die 300'000 Personen hinzu, die bereits eine risikobehaftete Nutzung aufweisen, ergibt sich dabei eine Anzahl an Personen, die in etwa der Stadt Zürich entspricht.

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