Nach ZwischentiefNettere SVP findet zum Siegen zurück
Die SVP hat auf kantonaler Ebene wieder zugelegt – weil sie braver ist als früher und weniger provoziert. An diesem Kurs dürfte sie festhalten, glaubt Politologe Michael Hermann.
Die SVP hat sich von ihrem Rückschlag erholt. Nachdem sie bei den Nationalratswahlen vor zwei Jahren noch 20 Sitze verloren hatte, konnte sie dieses Jahr in den kantonalen Wahlen wieder um 18 Sitze zulegen (siehe Box). «Die SVP ist auf kantonaler Ebene so stark wie nie zuvor», sagt Politologe Michael Hermann. «Und das, obwohl sie heute weniger provoziert als früher.» Der neue zurückhaltende Stil dürfte gar der Schlüssel zum Erfolg sein, meint Hermann.
Kritik nach Absturz
Tatsächlich kritisierten im Nachgang der Wahlschlappe mehrere Parteimitglieder den konfrontativen
Kurs. «Wir müssen offener und konstruktiver werden», sagte damals etwa Rudolf Joder, SVP-Präsident des Kantons Bern. Auch andere Mitglieder waren alles andere als glücklich über die Heftigkeit der Attacken, welche die Partei damals fuhr - etwa gegen die Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und deren Aussenpolitk.
SVP-Nationalrat Hans Fehr stellt fest, dass das Auftreten der Partei heute tatsächlich etwas weniger provokativ ist als früher. «Die Leute, die jeden Tag ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, haben gemerkt, dass wir für ihre Anliegen kämpfen», sagt Fehr, «deshalb ist die Partei in diesen Tagen etwas weniger laut.»
Nur die Verpackung ist anders
Der Stil hat sich also geändert, nicht aber der Inhalt. «Die Positionen sind noch immer dieselben», sagt Hermann, «doch der Auftritt ist ein anderer.» Nationalrat Hans Fehr bestätigt: «Unsere Politik haben wir kein Iota geändert.» Gewandelt hat sich laut Hermann hingegen die Haltung gegenüber den anderen Parteien. «Die SVP setzt heute weniger auf Konfrontation mit den anderen bürgerlichen Parteien.»
Die Partei habe eingesehen, dass sich nur so Bundes- oder Regierungsratswahlen gewinnen liessen, sagt Hermann. «Zudem hat die Konkurrenz die Methoden der SVP längst übernommen.» Das zeige sich etwa daran, dass die beiden bürgerlichen Parteipräsidenten Müller und Darbellay gerne rechtspopulistische Vorschläge ins Spiel bringen würden. «Aber auch die Juso spielt auf der populistischen Klaviatur.» Viele Positionen der SVP seien Mainstream geworden, meint Hermann. «Das hat es mit sich gebracht, dass die Partei-Exponenten ihr Auftreten verändern mussten: Sie sind nicht länger Piraten, sondern eine Systempartei.»
Weniger Angriffe
Die Angriffe, welche die Partei früher oft gefahren hat – beispielsweise nach der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat -, seien in den letzten zwei Jahren ausgeblieben, führt der Politologe aus. Noch immer ist die Partei dank ihrer kontroversen Initiativen häufig in den Medien. «Doch löst die SVP nicht mehr denselben Abwehrreflex aus wie früher.»
Es sei aber auch nicht wie in den Nullerjahren, als es auf der einen Seite die Volkspartei gab – und auf der anderen Seite alle anderen. «Es ist bezeichnend, dass die jüngsten kontroversen Vorschläge – wie etwa das Burkaverbot – nicht mehr von der SVP kamen», sagt Hermann.
Auch in Zukunft weniger konfrontativ
Wird die Partei auch künftig freundlicher auftreten? Die Nomination von Albert Rösti als Leiter für den Wahlkampf 2015 wird von Beobachtern jedenfalls als Signal verstanden, dass die SVP bei den nächsten Wahlen auf einen weniger konfrontativen Kurs setzt.
Auch Michael Hermann glaubt, dass die Volkspartei den konzilianteren Kurs beibehalten wird. «Nur so kann die SVP ihr Ziel erreichen und bei Regierungs- und Ständeratswahlen zulegen.»
Die SVP legt wieder zu
Vier Kantone erneuerten dieses Jahr ihre Legislativen, Solothurn, das Wallis, Neuenburg und zuletzt Genf. Die SVP konnte dabei 18 Mandate zulegen. Sie ist heute mit gesamthaft 562 Parlamentssitzen wieder die stärkste Partei. Demgegenüber hat die FDP 14 Sitze verloren. Auch die CVP hat 2013 neun Sitze verloren; seit den Wahlen vor zwei Jahren hat sie insgesamt gar 22 Mandate verloren. Ebenfalls auf der Verliererseite steht die SP, zum ersten Mal seit den Nationalratswahlen. Sie musste acht Mandate abtreten.
Die Grünen befinden sich seit längerem im Krebsgang. Sie haben seit den Nationalratswahlen 18 Sitze verloren, nachdem sie 2011 bereits 1,2 Prozent Wähleranteil verloren hatten. Die Gründe dafür sieht Politologe Michael Hermann weniger im Verhalten der Partei selber als vielmehr in der «politischen Grosswetterlage»: Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 habe der Klimawandel eine wichtige Rolle eingenommen, was den Grünen zu zusätzlichen Sitzen verholfen habe.
«Mit der Krise ist das Pendel zurück geschwungen. Die Leute konzentrieren sich wieder auf soziale und Wirtschaftsthemen», sagt Hermann. Überraschend sei dabei einzig, dass die SP vom schlechten Abschneiden der Grünen nicht profitieren könne, sagt Hermann und konstatiert: «Es findet eine Erodierung des linken Blocks statt. Und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern europaweit.» (sda/ala)