2000 Asylanträge, zwei Rückschaffungen

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Minderjährige Flüchtlinge2000 Asylanträge, zwei Rückschaffungen

Immer mehr Asylbewerber in der Schweiz sind minderjährig. Auch bei negativem Asylentscheid werden sie nur selten zurückgeschafft.

Nikolai Thelitz
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Nikolai Thelitz
Von 27'207 Asylgesuchen im Jahr 2016 stammten 1997 von minderjährigen Flüchtlingen, ein Anteil von 7,3 Prozent.
In ihr Heimatland zurückgeschafft werden jedoch nur die wenigsten, auch wenn ein Asylentscheid negativ ausfällt. Im letzten Jahr wurden nur zwei minderjährige Migranten ausgeschafft, eine Person ins Heimatland, eine in den zuständigen Schengenstaat. 2015 gab es keine einzige  Ausschaffung.
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Von 27'207 Asylgesuchen im Jahr 2016 stammten 1997 von minderjährigen Flüchtlingen, ein Anteil von 7,3 Prozent.

Francesca Agosta

Unter 18 Jahre alt, ohne Eltern unterwegs und geflüchtet aus Eritrea, Afghanistan oder Somalia: Diese Fälle kommen in der Schweiz immer häufiger vor. Von 27'207 Asylgesuchen im Jahr 2016 stammten laut Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) 1997 von minderjährigen Flüchtlingen, ein Anteil von 7,3 Prozent. Im Vorjahr lag der Anteil bei 6,9 Prozent, 2014 waren es 3,3 Prozent gewesen.

Am häufigsten stammten die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (kurz UMA genannt) aus Eritrea (850 Gesuche), Afghanistan (352 Gesuche) und Somalia (247 Gesuche). 83,7 Prozent der Antragssteller waren junge Männer.

Hohe gesetzliche Hürden

In ihr Heimatland zurückgeschafft werden jedoch nur die wenigsten Minderjährigen, auch wenn ein Asylentscheid negativ ausfällt. Letztes Jahr wurden nur zwei minderjährige Migranten ausgeschafft, eine Person ins Heimatland, eine in den zuständigen Schengenstaat. 2015 gab es keine einzige Ausschaffung, wie das SEM gegenüber 20 Minuten bestätigt.

Härter trifft es die Erwachsenen: Gemäss den letztjährigen Asylentscheiden mussten 23,4 Prozent der Eritreer, 47 Prozent der Somalier und 47,1 Prozent der Afghanen das Land wieder verlassen, weil sie weder Asyl noch eine vorläufige Aufnahme gewährt bekamen.

Der Grund für die Diskrepanz: Für die Rückschaffung einer minderjährigen Person gelten hohe Hürden. Das Gesetz schreibt vor, dass in Rückkehrstaaten ein Familienmitglied, ein Vormund oder eine Aufnahmeeinrichtung wie etwa ein Waisenhaus vorhanden ist, welche den Schutz des Kindes gewährleisten kann.

Ohne Familie «prinzipiell vorläufige Aufnahme»

«Es wird in jedem Fall individuell abgeklärt, ob eine Rückschaffung dem Kindeswohl entspricht», heisst es beim Staatssekretariat für Migration. «Wenn im Heimatland keine Familie, soziale Kontakte oder Auffangeinrichtungen vorhanden sind, wird prinzipiell eine vorläufige Aufnahme ausgesprochen.»

Um die Familiensituation zu überprüfen, könne das SEM im Rahmen seiner Abklärungen beispielsweise eine Anfrage zur Abklärung an die Botschaft der Schweiz im Herkunftsland stellen. Auch der Vormund des Kindes müsse alle Informationen zusammentragen, die dem Wohl des Kindes entsprechen würden.

«Man wartet den 18. Geburtstag ab»

«Die Hürden für eine Rückschaffung von Minderjährigen sind extrem hoch», sagt Amnesty International-Sprecher Beat Gerber. Anerkannte Flüchtlinge könnten grundsätzlich nicht zurückschafft werden, auch in anderen Fällen sei eine Rückschaffung heute die Ausnahme. «Selbst wenn die Kontakte im Heimatland bekannt sind, muss vor Ort abgeklärt werden, ob es im höheren Interessen des Minderjährigen ist, diesen in seine Heimat zurückzuschicken. Diese Abklärungen sind umfangreich und oft nicht einfach oder gar nicht möglich.»

Stattdessen warte man bei den Migrationsbehörden den 18. Geburtstag des Asylsuchenden ab. «Die Wegweisung wird bis zur Volljährigkeit aufgeschoben, der Jugendliche kann je nach Situation eine Ausbildung anfangen, von der er auch im Herkunftsland profitieren kann.»

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