Tschüss, Schweiz!Jetzt wandern mehr Deutsche aus als ein
Die deutsche Community in der Schweiz schrumpft. Für die Schweizer Wirtschaft sei das verheerend, sagt eine Politikerin.
Die Schweiz verliert an Anziehungskraft: Im Vergleich zum Vorjahr hat die Zuwanderung im ersten Quartal 2016 um über 30 Prozent abgenommen. Noch rund 15'000 Personen wanderten zu. Dies zeigen die Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Eindrücklich ist der Einbruch bei den Deutschen: Kamen 2008, auf dem Höhepunkt der Einwanderung aus Deutschland, noch rund 30'000 Personen in die Schweiz, ist die Zahl seither stetig gesunken. Im März zogen nun effektiv mehr Deutsche weg als zu. Betrachtet man die Entwicklung der ständigen Wohnbevölkerung aus EU-Staaten über die letzten zwölf Monate, belegen die Deutschen mit einem Zuwachs von 1805 Personen nur noch Rang 8 – hinter Frankreich (5136), Italien (3957), Portugal (3682), Kosovo (3490) und Polen (2781).
«Für die Schweizer Wirtschaft verheerend»
SEM-Sprecherin Léa Wertheimer erklärt die Entwicklung unter anderem mit der wirtschaftlichen Lage: «Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Zuwanderung in die Schweiz konjunktursensibel ist.» In Deutschland erhole sich die Wirtschaft.
Dass Deutsche die Schweiz meiden, ist für CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter bedenklich: «Die Deutschen bleiben nicht nur fern, sie ziehen sogar wieder weg. Die Entwicklung ist für unsere Wirtschaft verheerend.» Schneider-Schneiter spricht von einer «Trendwende» und von einem «Krieg um die besten Talente», bei dem die Schweiz immer öfter den Kürzeren ziehe. Tatsächlich veranstaltete etwa das Bundesland Bayern Podien in der Schweiz, um ausgewanderte Fachkräfte zu einer Rückkehr in die Heimat zu animieren.
Verantwortlich für die Entwicklung macht Schneider-Schneiter neben der Konjunktur auch das politische Klima: «In unserem Nachbarland hat es sich herumgesprochen, dass Deutsche nicht willkommen sind.» Auch die Masseneinwanderungsinitiative der SVP habe die Deutschen verunsichert. Immerhin habe sich so der Streit um die Umsetzung der Initiative vielleicht bald von selbst erledigt.
«In der Schweiz Ablehnung erfahren»
Matthias Estermann vom Verein Deutsche in der Schweiz sagt, dass von seinen Landsmännern, die in den letzten Jahren eingewandert seien, längst nicht alle glücklich geworden seien: «Sie kehren nun zurück, etwa weil ihnen die Schweiz zu teuer ist oder weil sie den Job verloren haben.» Auch würden einige Deutsche darunter leiden, dass ihnen in der Schweiz Ablehnung entgegenschlage.
Gleichzeitig stelle er fest, dass es für Deutsche schwieriger geworden sei, eine Stelle zu ergattern, was Voraussetzung für eine Aufenthaltsbewilligung ist: «Seit der Annahme der Zuwanderungsinitiative ist zu beobachten, dass Firmen inländische Arbeitskräfte bevorzugen.»
Nach wie vor viel zu hoch ist die Zuwanderung aus Sicht der SVP. Hochgerechnet auf das ganze Jahr ergebe sich trotz schleppender Konjunktur eine Nettozuwanderung von über 60'000 Personen, schreibt die Partei in einer Mitteilung. Dies entspreche mehr als der Bevölkerung von Biel. Die von Volk und Ständen beschlossene Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung, inklusive Inländervorrang, sei endlich umzusetzen.