Die Ohrfeige für Kinder soll verboten werden

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Gesetz gegen GewaltDie Ohrfeige für Kinder soll verboten werden

Politiker wollen mit einem Gesetz verhindern, dass Müttern und Vätern die Hand ausrutscht. Bürgerliche befürchten Strafen für Unschuldige.

von
B. Zanni
Das ausdrückliche Züchtigungsrecht der Eltern wurde zwar 1978 aus dem Schweizer Zivilgesetzbuch gestrichen. Aber es gibt kein Gesetz, welches Kindern und Jugendlichen das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung einräumt.
«Im 21. Jahrhundert sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Gewalt in der Erziehung nichts verloren hat», sagt CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer.
SP-Nationalrätin Chantal Galladé: «Erwachsene können auch bei Kindern nicht Mittel anwenden, die sie sonst verurteilen.» Sie warnt zudem vor körperlichen Folgen. «Ohrfeigen können den Gehörgang des Kindes massiv schädigen.»
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Das ausdrückliche Züchtigungsrecht der Eltern wurde zwar 1978 aus dem Schweizer Zivilgesetzbuch gestrichen. Aber es gibt kein Gesetz, welches Kindern und Jugendlichen das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung einräumt.

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Kinder mit Gewalt zu bestrafen, ist in der Schweiz kein Tabu. In einer 20-Minuten-Umfrage von 2015 gibt die Hälfte der rund 2700 Eltern an, schon einmal einem Kind den Hintern versohlt oder eine Ohrfeige gegeben zu haben. Und eine repräsentative Studie der Universität Freiburg zeigt: über 40 Prozent der Kinder unter vier Jahren haben auf irgendeine Weise körperliche Bestrafung erfahren.

Solche Erziehungsmassnahmen gehen der Stiftung Kinderschutz Schweiz zu weit. «Schläge von Eltern sind in der Schweiz in allen Gesellschaftsschichten immer noch weit verbreitet», sagt Catherine Moser, Leiterin des Geschäftsfelds Prävention. Sie rechnet mit einer hohen Dunkelziffer. Die Stiftung fordert deshalb, im Zivilgesetzbuch das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung zu verankern. Dahinter steckt vor allem eine präventive Absicht. «Eine solche Massnahme schafft Klarheit und wirkt als Appell an die Erziehenden.»

«Ohrfeigen können Gehörgang massiv schädigen»

Politiker begrüssen die Forderung. «Im 21. Jahrhundert sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Gewalt in der Erziehung nichts verloren hat», sagt CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Es gebe immer wieder Hilferufe von Ärzten, die auf eine hohe Dunkelziffer misshandelter Kinder aufmerksam machten. Auch für SP-Nationalrätin Chantal Galladé steht fest: «Erwachsene können auch bei Kindern nicht Mittel anwenden, die sie sonst verurteilen.» Sie warnt zudem vor körperlichen Folgen. «Ohrfeigen können den Gehörgang des Kindes massiv schädigen.»

Bestrafen wollen die Politikerinnen die fehlbaren Eltern nicht. Bussen würden das Wohl der Kinder nicht verbessern, sagt Galladé. «Eltern, die ihre Kinder schlagen, sollten stattdessen in einen Erziehungskurs geschickt werden.»

Politikerin erschrak über sich selbst

Bürgerliche Politiker stellen sich dagegen. SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler bezeichnet das Gesetz als «heikel». «Natürlich ist Gewalt kein Erziehungsmittel, aber ist ein Klaps auf den Hintern bereits strafbar?» Einst erschrak sie über sich selbst. «Ich gab meiner Tochter einen Klaps auf den Hintern und stiess sie weg.» Sie habe damit jedoch aus einem mütterlichen Instinkt gehandelt. «Ich wollte meinen jüngeren Sohn verteidigen, weil meine Tochter ihm ins Gesicht geschlagen hatte.»

Sie befürchtet, dass ein entsprechendes Gesetz Eltern zu Unrecht bestrafen würde. «Heute hat man genügend viele Strafartikel, um gewalttätige Eltern zur Rechenschaft zu ziehen und zu bestrafen.»

«Klaps ist nicht dasselbe wie grün und blau schlagen»

Auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler ginge ein Gesetz zu weit. «Wird als Nächstes vorgeschrieben, wie viel Gewalt die Kinder im Fernsehen sehen dürfen?» Obwohl er Gewalt gegen Kinder verurteile, hätten die Eltern über die Erziehung zu entscheiden. «Es ist immer noch ein Unterschied, ob man seinem Kind einen Klaps gibt oder es grün und blau schlägt.»

Doch Catherine Moser warnt: Mit einem Klaps oder einer Ohrfeige riskierten Eltern bei den Kindern grosse psychische Beeinträchtigungen. «Körperstrafen stören die soziale, intellektuelle und emotionale Entwicklung und fördern aggressives Verhalten.» Das Kind könne ein beeinträchtigtes Selbstvertrauen entwickeln und das Vertrauen gegenüber den Eltern verlieren. Schläge seien zudem kein zielführendes Erziehungsmittel. «Wird ein Kind mit einer Ohrfeige bestraft, ändert es sein Verhalten nicht aus Einsicht, sondern aus Angst.»

Aktion am «No Hitting Day»

Am 29. April lanciert die Stiftung Kinderschutz Schweiz anlässlich des «No Hitting Day», Tag der gewaltfreien Erziehung, eine Aktion. Unterstützt wird die Stiftung von der Berner Schulklasse, die 2015 beim Bund die Petition «Für ein Verbot von Ohrfeigen» einreichte. Zudem hat Kinderschutz Schweiz für dieses Jahr einen Videoclip mit Heidi-Darstellerin Anuk Steffenzum Thema produziert. Die Stiftung verrät, dass der Clip klar mache, dass Gewalt gegen Kinder im Erziehungsalltag keinen Platz hat.

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