FlüchtlingskriseBürgerliche Politiker sind für Grenzkontrollen
Systematische Grenzkontrollen sollen die Schweiz vor einem erneuten Flüchtlingsstrom schützen. Linke verteidigen die humanitäre Tradition.
Die SVP-Bundesräte Ueli Maurer und Guy Parmelin fassen eine drastische Massnahme ins Auge: Um zu verhindern, dass im Frühling eine Flüchtlingswelle über die Schweiz schwappt, sollen die Grenzen für Migranten geschlossen werden. Voraussichtlich am Mittwoch stellen die Bundesräte laut der «SonntagsZeitung» in der Regierung einen entsprechenden Antrag. Konkret bedeutet dies, dass die Grenzwache die Grenzen wieder systematisch kontrollieren soll und Migranten zurückweisen kann, die aus sicheren Drittländern ausreisen. Zudem ist an der Grenze der Einsatz der Armee geplant.
Bürgerliche Politiker schliessen sich der Forderung an: «Die Schweiz muss frühzeitig Massnahmen treffen. Sonst werden wir von den Flüchtlingen massiv überschwemmt», warnt SVP-Nationalrat Albert Rösti. Zu oft würden Wirtschaftsmigranten und Menschen aus sicheren Drittstaaten in der Schweiz um Asyl ersuchen. Für ihn ist unbestritten: «Das Schengen-Dublin-Abkommen funktioniert nicht.» Auch Wirtschaftspolitiker haben Verständnis. «Wir können uns nicht erst Massnahmen überlegen, wenn es zu spät ist», sagt FDP-Nationalrat Beat Walti. Es sei wichtig, dass die Schweiz das Schengen-Dublin-Abkommen gegenüber den europäischen Nachbarländern durchsetzen könne. «Es geht nicht, dass Migranten kreuz und quer durch Europa reisen und sich ein passendes Land aussuchen.» Auch CVP-Nationalrat Jakob Büchler würde geschlossene Grenzen begrüssen. «Dann wird sich deutlich zeigen, wer ein Flüchtling und wer ein Mitläufer ist.»
Linke protestieren
«Kriegsflüchtlinge, Frauen und Kinder brauchen besonderen Schutz», sagt SP-Nationalrätin Yvonne Feri. Schliesse man die Grenzen, bestehe das Risiko, dass die Schweiz ernsthaft bedrohte Menschen ins Verderben schicke. «Das widerspricht unserer humanitären Verantwortung und Politik.»
Auch für die Schweizerische Flüchtlingshilfe kommen geschlossene Grenzen nicht infrage. Dies verstosse nicht nur gegen das Schengen-Dublin-Abkommen, sagt Sprecher Stefan Frey. «Die Flüchtlinge würden in allen möglichen Ländern hin- und hergeschoben und den Schleppern in die Arme laufen.» Seiner Ansicht nach ist das Vorhaben zudem ein Ablenkungsmanöver. «Die SVP will davon ablenken, dass sie mit ihrem Referendum gegen die Asylgesetzrevision in eine Sackgasse gelaufen ist.»
«Unmöglich, jeden zu kontrollieren»
Da die Mittelmeerroute im Frühling wieder passierbar sein wird, rechnet das Schweizer Grenzwachtkorps (GWK) an der Südgrenze mit einer Zunahme von Flüchtlingen. Beat Walti erachtet eine lückenlose Grenzkontrolle als grosse Herausforderung. «Jeden einzelnen Flüchtling auch an der grünen Grenze zu kontrollieren, ist eine Illusion.» Zudem sei die Schweiz eine offene Volkswirtschaft. «Wir haben auch ein wirtschaftliches Interesse daran, dass unsere Grenzen passierbar sind.» Jakob Büchler seinerseits zweifelt an den Kapazitäten der Armee. «Müssen Soldaten länger als für die Dauer eines WKs an den Grenzen stehen, stellt sich die Frage, ob man genügend Ersatz findet.»
Das GWK bestätigt die Bedenken. Systematische Grenzkontrollen verlangten, dass die Grenzwächter unabhängig von Warenkontrollen Personenkontrollen durchführten. «Es ist unmöglich, jede Person und jedes Fahrzeug zu kontrollieren», sagt Sprecher Attila Lardori. Seine Aussage illustriert er mit einigen Zahlen: Die Schweizer Grenze ist knapp 2000 Kilometer lang. Täglich überqueren sie über 700'000 Leute, 350'000 Autos und 20'000 Lastwagen. «Es käme zu stundenlangen Staus und Folgen für die Schweizer Wirtschaft.»