NDB-Chef warnt vor Druck Chinas auf die Schweiz

Aktualisiert

Sicherheitsbericht 2016NDB-Chef warnt vor Druck Chinas auf die Schweiz

Konfuzius-Institute und chinesische Investoren: Der Bund warnt vor der wirtschaftlichen und ideologischen Einflussnahme Chinas in der Schweiz.

von
D. Pomper
Gute Beziehungen: Bundesrat Johann Schneider-Ammann posiert mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Peking am 8. April.

Gute Beziehungen: Bundesrat Johann Schneider-Ammann posiert mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Peking am 8. April.

Keystone/AP/ng han Guan

In seinem neusten Sicherheitsbericht warnt der Nachrichtendienst des Bundes vor der Terrormiliz Islamischer Staat, kurdischen PKK-Extremisten und der Wirtschaftsspionage. Ein ganzes Kapitel widmet der NDB aber auch China.

Der Nachrichtendienst warnt vor den Risiken, die sich «aus einer wachsenden Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum Chinas» ergeben. Ein markanter Wirtschaftsabschwung oder starke Währungsschwankungen in China würden sich negativ auf die Schweiz auswirken. Ökonomischer oder politischer Druck Chinas auf EU-Staaten könnte indirekt für die Schweiz Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem seien Schweizer Industriezweige durch die chinesische Konkurrenz einem Verdrängungsrisiko ausgesetzt.

Chinesische Unternehmen und Investoren hegten ein besonderes Interesse am hiesigen Industrie- und Finanzsektor sowie an innovativen Unternehmen. Durch die Übernahme von Schweizer Unternehmen und vermehrt auch von Schweizer Hotels versuche China, erwünschtes Wissen abzuschöpfen und Schweizer Marken mitsamt ihrem guten Ruf zu erwerben. So gehören inzwischen rund 80 Schweizer Firmen chinesischen Konzernen. Darunter der Basler Agrochemie-Konzern Syngenta, die urschweizerischen Sigg-Flaschen oder das Naturfasergeschäft der OC Oerlikon. Grundlage für diesen Trend ist das Freihandelsabkommen der Schweiz mit China, das am 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist.

«Exporte würden einbrechen»

Stephan Oehen, China-Experte und Managing Director der Plattform Invest in Switzerland, ist bezüglich der NDB-Warnung skeptisch: «Eine direkte grosse Abhängigkeit der Schweiz von China, zum Beispiel wegen der industriellen Beteiligung, gibt es nicht.» Das Beteiligungsvolumen sei im Vergleich zu den USA oder Deutschland noch verschwindend klein. Oehen bezweifelt denn auch, dass der Schweizer Nachrichtendienst das nötige Know-how hat für eine wirtschaftliche Beurteilung und dass er diesbezüglich überhaupt einen Auftrag hat. «Die Statements sind hochgradig politisch gefärbt», kritisiert Oehen. Auch appelliert er an die Schweizer Politik, zu diskutieren, was die eigentliche Strategie im Umgang mit der neuen Wirtschaftsmacht China sei. Eine einheitliche Schweizer Stimme existiere nämlich nicht.

Rudolf Minsch, Chefökonom der Economiesuisse, glaubt: «Schlittert China in eine Rezession, hätte dies durch die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit einen grossen Einfluss auf die gesamte Weltwirtschaft. Die Exporte würden einbrechen.» Allerdings zeigt sich Minsch optimistisch: «Für die nächsten drei, vier Jahre sollte ein Wachstum von 6 Prozent realistisch sein.» China war bis 1820 die grösste Volkswirtschaft. «Nun erleben wir die Wiedergeburt eines Giganten. Das bedeutet auch, dass China als Wirtschaftsmacht seinen politischen Platz auf der Weltbühne einfordern wird und einen höheren Anspruch hat, die Welt mitzugestalten», sagt Minsch.

Tausend neue Konfuzius-Institute

So warnt denn auch der Nachrichtendienst des Bundes vor dem «ideologischen Einfluss», den China in der Schweiz ausübt. Bis 2020 wolle das asiatische Land weltweit tausend Konfuzius-Institute eröffnen. In Genf und Basel wurden bereits zwei Institute eingeweiht. Auch das chinesische Zentralfernsehen CCTV ist auf Expansionskurs und hat seit 2011 70 Büros eröffnet, eines davon in Genf.

Das «selbstbewusste und fordernde Verhalten Chinas» verspüre die Schweiz vor allem in Bezug auf die tibetische Exilgemeinschaft in der Schweiz. «Offizielle Empfänge des Dalai Lama werden von China in keiner Weise mehr geduldet und mit verschiedenen Massnahmen rückwirkend geahndet», schreibt der NDB. Diese reichten von temporären Abkühlungen der diplomatischen Beziehungen über Absagen von Staatsbesuchen bis hin zu einer zeitweiligen Abnahme der Exporte des jeweiligen Landes nach China. «Bedingt durch die wirtschaftliche Machtpolitik Chinas nimmt die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft jedoch ab, die Respektierung universeller Grundwerte auch von China einzufordern», heisst es im Bericht. Zwischen dem Westen und China gebe es fundamentale Meinungsverschiedenheiten im Bereich der Menschenrechte, der persönlichen Freiheitsrechte und der Rechtsstaatlichkeit.

«Wirtschaftliche Interessen wichtiger als Menschenrechte»

Uwe Meya von der Gesellschaft Schweizerisch-tibetische Freundschaft ist der Meinung, dass die Schweiz «wirtschaftliche Interessen über Menschenrechte» stellt. Das habe Bundesrat Johann Schneider-Ammann spätestens nach seiner Chinareise gezeigt. In einem Interview lobte er die chinesische Regierung, dass sie mit einer «Mischung aus Offenheit und Härte» Stabilität erreicht habe. «Dabei scheint er zu vergessen, was diese ‹Härte› für Tausende von politischen Gefangenen bedeutet. Nämlich Arbeitslager, willkürliche Verhaftungen, Folter, unfaire Gerichtsverhandlungen», sagt Meya.

Meya kritisiert auch das «aggressive» Eingreifen Chinas in der Schweiz. Zuletzt Anfang März, vor einem Auftritt des Dalai Lama in Genf. In einem Schreiben Chinas an Diplomaten und UN-Offizielle heisst es im Wortlaut, die Veranstaltung verletze die Souveränität und territoriale Integrität von China. China lehne die separatistischen Aktivitäten des Dalai Lama ab. China forderte die Teilnehmer auf, dem Event fernzubleiben.

Meya warnt auch vor der Expansion der Konfuzius-Institute: «Diese Institute verkaufen sich als etwas Unschuldiges. Dabei sind sie von der Volksrepublik China finanziert und vertreten auch deren politische Linie.» Die Einflussnahme passiere aber diskret, etwa an Vorträgen über chinesische Geschichte.

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