GreenpeaceWie aus Öko-Fundis Profi-Aktivisten wurden
Die Zeiten, als sich Greenpeace-Anhänger spontan an Bäume ketteten, sind vorbei. Heute ist die Umweltorganisation eine voll professionalisierte Maschinerie.
Ein junger Mann blickt todesmutig in die Kamera, den Oberkörper an einen Baumstamm gekettet. Aktivisten in Schutzanzügen sitzen auf Fässern mit Gift-Warnsymbolen, Gasmasken im Gesicht. Eine Gruppe von Greenpeace-Mitgliedern protestiert auf dem Genfersee gegen den Walfang in Japan, mit aufblasbarem Gummiwal und Luftballons bewaffnet.
Was in den 80er-Jahren für Schlagzeilen sorgte, ist nichts im Vergleich zu dem, was sich Greenpeace für Dienstagabend in Basel einfallen liess: Zur Primetime seilten sich vier Aktivisten im voll besetzten St. Jakob-Park vom Stadiondach ab – vor den Augen Hunderttausender TV-Zuschauer, dem Uefa-Präsidenten Michel Platini und gewiss vor denen des Adressaten des Protests, dem Erdölmulti Gazprom.
Immer professioneller
Eine akribisch geplante Aktion, an Medienwirksamkeit kaum zu überbieten. PR-Experte Klaus Stöhlker stellt fest, dass Umweltorganisationen wie Greenpeace, aber auch der WWF, in den letzten Jahren in der Kommunikation einen extrem hohen Grad an Professionalisierung erreicht haben. Das sei nötig gewesen, denn der Kampf um Spendengelder sei in der Branche derzeit so hart wie noch nie: «Das Herzblut spielt dabei natürlich immer noch eine Rolle. Aber eine professionelle Organisation macht mittlerweile 90 Prozent des Erfolgs aus.» Greenpeace wisse das und beschäftige entsprechend ausgebildete Leute.
Auch der Basler Soziologe Ueli Mäder, ein Experte auf dem Gebiet der sozialen Bewegungen, stellt eine Professionalisierung derselben fest. «Solche Bewegungen haben heute eine Vielzahl neuer Möglichkeiten», so Mäder. Gerade die globale Vernetzung und die sozialen Medien brächten neue Formen des Protests hervor.
«Sehr geschickt» oder «Eigentor»?
Über den Erfolg der Aktion sind sich die beiden Fachleute hingegen uneinig. Mäder, der Greenpeace selbst nahesteht und zusammen mit Bundesrat Moritz Leuenberger in einer Groupe de Réflexion der Organisation sitzt, lobt die professionelle Organisation: «Ich hatte den Eindruck, sie haben das sehr geschickt gemacht.» Das Auftreten der Aktivisten sei sehr medienwirksam gewesen. Gleichzeitig hätten sie sich aber genug schnell wieder zurückgezogen, um den Sympathiebonus bei den Zuschauern nicht zu verspielen. «Das Resultat war freundlich, nicht aggressiv.»
Stöhlker hingegen ist skeptisch: «Der Event war super. Die Botschaft, die Gestaltung – alles war perfekt inszeniert. Nur fand die Aktion am falschen Ort statt.» Im Fussball-Stadion nerve man die Leute mit solchen Protestaktionen – diese würden damit zum Eigentor.
«Keine Selbstinszenierung»
Greenpeace-Sprecher Yves Zenger verteidigt die Aktion und bestätigt, eine medienwirksame Inszenierung sei für den Umweltschutz von enormer Bedeutung: «Die Zerstörung der Arktis ist ein globales Problem, das uns alle betrifft. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Message über die Landesgrenze hinaus wahrgenommen wird.» Dies sei mit Verhandlungen und Schreibtischarbeit oft nicht möglich – «dann müssen wir einen Schritt weitergehen».
Bei Aktionen wie der im St. Jakob-Park gehe es darum, mächtige Bilder zu kreieren und zu transportieren – das habe Greenpeace schon immer ausgezeichnet. «Dabei geht es den Aktivisten aber auf keinen Fall um eine Selbstinszenierung, sondern um die Sache», betont Zenger. Im aktuellen Beispiel also um die Verhinderung von Ölbohrungen in der Arktis. Greenpeace wertet den Einsatz der Aktivisten als Erfolg: Mit dem Vorgehen hätten sie den Hauptadressaten, den Schalke- und Champions-League-Sponsor Gazprom, auf jeden Fall erreicht. «Die Verantwortlichen wissen jetzt, dass es uns ernst ist.» Zur Planung und Durchführung der Aktion will sich Greenpeace jedoch nicht äussern. Wie der Einsatz gelang, wer ihn organisierte und was er gekostet hat, bleibt geheim.
Unbekannte Geldgeber
Sind halsbrecherische Störaktionen also ein Muss, um auf Umweltschutzanliegen aufmerksam zu machen? «Der Kampf um Aufmerksamkeit ist sicher härter geworden», räumt WWF-Sprecher Fredi Lüthin ein. Jedoch sei die Vorgehensweise von Greenpeace und WWF oft unterschiedlich. «Greenpeace ist auf bildwirksame Aktionen spezialisiert.» Diesem Instrument bediene sich der WWF zwar auch, ihm gelinge es aber auch mit weniger spektakulären Aktionen, auf seine Anliegen aufmerksam zu machen. «Wir sehen uns deshalb als Partner mit manchmal unterschiedlichen Arbeitsmethoden, aber einem gemeinsamen Ziel.»
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Organisationen: Beide brauchen für ihr Engagement viel Geld. Wer finanziert den Umweltschützern ihre Einsätze, etwa den im St. Jakob-Park? Greenpeace hält sich bedeckt. «Wir finanzieren uns ausschliesslich über private Spenden und Gelder von Stiftungen», so Greenpeace-Sprecher Zenger. Gelder von Wirtschaft, öffentlicher Hand und Politik seien tabu.