«Auch Lehrer bereiten sich mit Youtube vor»

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Video-Tutorials«Auch Lehrer bereiten sich mit Youtube vor»

Schüler sagen, Youtube sei der bessere Lehrer. Jürg Brühlmann vom Lehrerverband erklärt, was Lehrer selbst davon halten.

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Herr Brühlmann, Schüler informieren sich bei Youtube über ihren Schulstoff. Ist das empfehlenswert?

Jürg Brühlmann: Es ist zumindest normal und nichts Neues. Früher schaute man in einem Lexikon nach oder fragte die Eltern, wenn man den Schulstoff nicht kapierte. Heute geht man auf Youtube. Das Mittel ist neu, das Vorgehen nicht.

Schüler sagen, sie stellten während der Lektion keine Fragen mehr, wenn sie bei einem Thema überfordert seien, weil sie dies nachher ohnehin bei Youtube nachschauen könnten. Hat dies nicht einen negativen Einfluss auf den Schulunterricht?

Auch das war früher nicht anders. Vor allem Jugendlichen ist es manchmal unangenehm, während des Unterrichts Fragen zu stellen – es ist ihnen peinlich und sie wollen die Klasse nicht aufhalten. Vor Youtube fragten sie nach dem Unterricht einen Schulkameraden.

Lehrer würden aufgrund von Youtube fauler, so eine Schülerin. Sie sagten dann, sie hätten jetzt keine Zeit, dies jedem Einzelnen zu erklären, man solle das in einem Tutorial nachschauen.

Ich glaube nicht, dass Lehrer fauler werden. Im Gegenteil: Die ganze digitale Welt fordert Lehrer zusätzlich heraus und bedeutet mehr Aufwand für sie. Sie müssen sich ebenfalls vorbereiten, die verschiedenen Tutorials sichten, saubere Angebote finden, damit sie den Schülern Tipps geben und Links zur Verfügung stellen können.

Sie glauben nicht, dass Youtube die Lehrer nachlässig werden lässt?

Natürlich ist es möglich, dass dies bei einzelnen Lehrern der Fall ist. Grundsätzlich kommt es aber auf die Unterrichtsform an: Wenn es sich dabei um eine Lektion handelt, in der die Schüler lernen sollen, selbständig zu recherchieren, dann ist das auch korrekt, dass der Lehrer sagt, «informiert euch bei Youtube» oder «versucht zuerst selbst einmal, das herauszufinden». Das ist dann aber nicht der klassische Frontalunterricht. Dass sich der Lehrer in der Pause weigert, einem Schüler weiterzuhelfen, kann ich mir nicht vorstellen.

Schüler sagen weiter, Youtube sei für sie oft der bessere Lehrer. Sie hörten deshalb in gewissen Fächern gar nicht erst zu. Wird Youtube zur Konkurrenz für Lehrer?

Youtube ist quasi ein zweiter Lehrer, eine weitere Person, die aushilft. Als Lehrer ist man froh, wenn sich die Schüler auf verschiedene Weise weiterbilden. Dass man bei einem konkreten Lehrer einfach nicht drauskommt, gab es schon immer.

Besteht denn nicht das Risiko, dass die Schüler sich falsch informieren? Dass sie Tutorials schauen, die ihnen einen Quatsch vermitteln?

Doch, natürlich. Das ist ein wichtiger Lernprozess für die Schüler, herauszufinden, welchen Informationen sie trauen können und welchen nicht. Auch die Schule hat den Auftrag, den Schülern beizubringen, wie sie Fake-News von richtigen unterscheiden können. Das ist eine neue und extrem wichtige Aufgabe.

Haben Fälle zugenommen, in denen Schüler während des Unterrichts den Lehrer korrigieren oder sagen ,«auf Youtube sagt der Typ aber etwas anderes»?

Ja solche Fälle haben tatsächlich zugenommen. Natürlich gab es früher schon die Schüler, die sagten, «mein Vater hat aber gesagt». Heute kommen die Schüler aber über das Internet an viel mehr Informationen; auch solche, die nicht mit unserem Lehrplan übereinstimmen.

Ist das nicht anstrengend?

Es macht die Sache interessanter. Es zeigt, dass sich die Schüler mit dem Stoff auseinandersetzen, das ist toll.

Ruft man die Lehrer dazu auf, Youtube in den Schulstoff zu integrieren?

Das ist gar nicht nötig, jeder tut es. Das geht vom Musik- über den Englisch- bis hin zum Sportunterricht. Auch Lehrer selbst nutzen Youtube, um sich auf ihre Lektion vorzubereiten. Natürlich kommt es auf die Ausrüstung an der Schule an, in welchem Ausmass das Internet in den Stoff integriert wird. Wenn man jedes Mal ins Informatikzimmer wechseln muss, um etwas am Computer nachschauen zu können, ist dies schwieriger. Ich sage aber, in fünf Jahren hat sich das überall durchgesetzt.

Jürg Brühlmann ist Leiter Pädagogik des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer.

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