Numerus claususAbfuhr für SVP – Bundesrat hilft Ethnologen
Die SVP befürchtet, dass es in der Schweiz kaum Arbeit für Sozial- und Geisteswissenschaftler gibt. Jetzt hat der Bundesrat die Argumente vom Tisch gewischt.

Geht es nach der SVP, sollen sich hier weniger Geisteswissenschaftler tummeln: Studenten im Lichthof an der Uni Zürich.
Für die SVP werden hierzulande zu viele Psychologen, Ethnologen, Soziologen oder Historiker ausgebildet. Schon im Frühjahr hatte sich Fraktionschef Adrian Amstutz für einen Numerus clausus bei diesen Fächern ausgesprochen.
Es könne nicht sein, dass 45'000 Studierende an Schweizer Unis Fächer der Geistes- und Sozialwissenschaften belegten, während es an Medizinern, Ingenieuren oder Informatikern fehle.
«Nur begrenzte Arbeitsmöglichkeiten»
Die SVP-Fraktion wandte sich deshalb an den Bundesrat. In der Begründung des parlamentarischen Vorstosses schreibt die Partei, dass die heutigen «Massen-Studiengänge» der Sozial- und Geisteswissenschaften an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbeizielten. Es sei auch aus der Sicht der Studenten ungerecht, Akademiker auszubilden, die «nur begrenzte Arbeitsmöglichkeiten haben».
So wollte die SVP vom Bundesrat wissen, wie hoch die Arbeitslosenquote bei Studienabgängern der Geistes- und Sozialwissenschaftlern ist. Zudem sollte der Bundesrat Zahlen liefern, wie viele dieser Studierenden nur beim Staat einen Job finden.
Bundesrat zerpflückt Argumente
In den diese Woche veröffentlichten Antworten erteilt der Bundesrat dem Anliegen der SVP eine Abfuhr. Es bestünden «keine Anhaltspunkte, dass Absolventen der Sozial- und Geisteswissenschaften in unserem Land über keine oder nur begrenzte Anstellungsmöglichkeiten verfügen». Im Gegenteil sei die Erwerbslosenquote von Abgängern dieser Fachrichtungen tief und es bestünden Anstellungsmöglichkeiten sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft. Man sehe keinen Anlass, das Thema in der kantonalen Hochschulkonferenz aufs Tapet zu bringen, wie es die SVP verlangt hat.
Der Bundesrat untermauert seine Antworten mit Zahlen des Bundesamts für Statistik: 2013 seien fünf Jahre nach Studienabschluss 2,8 Prozent der Absolventen auf Masterstufe und 0,5 jener der Doktoratsstufe ohne Erwerb gewesen. Damit liege die Erwerbslosenquote nur leicht über dem Durchschnitt aller Fachrichtungen (2,3 Prozent). Zudem sei die Quote weniger hoch als bei der Gesamtbevölkerung, wo sie 2013 4,4 Prozent betrug.
SVP-Offensive in Kantonen
Auch dass die Geisteswissenschaftler besonders oft bei Papa Staat eine Anstellung finden, will der Bundesrat nur teilweise bestätigen. Zwar sei ein Jahr nach Masterabschluss die Mehrheit (61 Prozent) im öffentlichen Dienst angestellt, doch decke sich dies ungefähr mit dem Anteil der Naturwissenschaftler, der 60 Prozent beträgt. Im Durchschnitt aller Fachrichtungen arbeiten 51 Prozent beim Staat.
SVP-Fraktionschef Amstutz war wegen der Von-Wattenwyl-Gespräche nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Das Thema bleibt aber aktuell: In mehreren Kantonen wollen SVP-Politiker den Numerus clausus für Geisteswissenschaftler ins Parlament bringen. Der Berner Grossrat Ueli Augstburger hat laut «Blick» einen entsprechenden Vorstoss ausgearbeitet.
Umfrage zeigt Sympathien für Numerus Clausus
Vom Bundesrat bekommt die SVP einen Korb – dafür erhält sie von einer anderen Seite unverhofft Unterstützung. Eine Bevölkerungsumfrage zeigt grosse Sympathien für einen Numerus clausus für Geisteswissenschaftler, wie ihn die SVP verlangt. In einer Studie des Berner Ökonoms Stefan Wolter geben 44 Prozent der Befragten an, für eine solche Zulassungsbeschränkung zu sein. 20 Prozent haben keine Meinung, nur 36 Prozent sind dagegen.
In der «NZZ am Sonntag» zeigt sich Wolter selber erstaunt über dieses Resultat. «Ich ging von einem grossen gesellschaftlichen Konsens darüber aus, dass die Schweizer Maturanden eine möglichst freie Hochschul- und Studienfachwahl haben sollen.» SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz sieht sich durch die Forderung bestätigt. Seine Partei plant in verschiedenen Kantonen Vorstösse zum Thema. SP-Bildungspolitiker Matthias Aebischer hingegen warnt in der Zeitung vor einer Zugangsbeschränkung: «Die Schweiz hat das beste Bildungssystem der Welt, weil es fair und offen für alle ist. Das dürfen wir nicht mit solchen Ideen gefährden.» (jbu)