«Väter dürfen für Kinder nicht Spielkamerad sein»

Aktualisiert

Kritik an moderner Erziehung«Väter dürfen für Kinder nicht Spielkamerad sein»

Ein Walliser Psychologe kritisiert den Vater von heute. Er soll weniger mit dem Kind spielen und mehr Autorität an den Tag legen. Experten widersprechen vehement.

von
vro
Väter machen sich beim Spielen mit Kindern zum Affen, sagt Psychologe Alain Valterio.

Väter machen sich beim Spielen mit Kindern zum Affen, sagt Psychologe Alain Valterio.

Der moderne Vater übt zu wenig Autorität aus. Das findet der Walliser Psychologe Alain Valterio. Das Spielen mit den Kindern werde pädagogisch zu stark gewichtet. Anstatt «auf allen vieren zu kriechen», sollten sie ihre Kleinen mit Gleichaltrigen spielen lassen. Väter dürften nicht in erster Linie ein Spielkamerad sein. «Was ich sagen will, ist, dass es für ein Kind wichtig ist, so gross zu sein wie sein Vater und nicht, dass der Vater so klein wird wie das Kind», sagt er zu «Le Matin».

Valterio setzt sich durchaus für die Aufteilung der Haushaltsaufgaben ein. Allerdings müsse ein Mann gleichzeitig seine Identität finden – fernab vom Vater- und Ehemannsein. Selbstverständlich dürfe man sein Kind auch in den Arm nehmen, allerdings dürfe das nicht als unentbehrlich für die Entwicklung des Kindes betrachtet werden. «Die Zuneigung der Mutter reicht aus», so der Psychologe. Die Unnahbarkeit des Vaters sei ein Rätsel, das ein Kind lösen will. Und genau diese Aufgabe gebe ihm die Motivation, sich zu entwickeln.

«Ohnehin zu wenig Teilzeit-Väter»

Der Psychologe betont, dass er Männern nicht dazu raten wolle, ganz auf das Vatersein und das Spiel zu verzichten. Es solle lediglich in einem vernünftigen Rahmen stattfinden. Die Rolle als Vater und Ehemann solle er einnehmen, wenn es erforderlich sei. Doch: «Für die Identitätsfindung ist es für ein Kind besser, wenn der Vater abends von der Arbeit kommt und das Gefühl hat, einen Krieg gewonnen zu haben.» Weniger hilfreich sei ein Vater, der seine perfekt geratene kleine Tochter herumzeige.

Für Helen Issler, Co-Vizepräsidentin der Frauenorganisation Alliance F, sind Valterios Aussagen reine Provokation. «Es gibt ja ohnehin noch viel zu wenige Väter, die Teilzeit arbeiten.» Auch dass die Zuneigung der Mutter ausreiche, stimmt in Isslers Augen nicht. «Je mehr Nähe, desto besser», sagt die vierfache Grossmutter.

Studien sagen etwas anderes aus

Markus Theunert, Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, sieht in Valterios Aussagen einen Angriff auf die neue Vaterrolle des Mannes. Der Psychologe gehe von veralteten Mustern aus. «Väter müssen präsente Väter sein. Das fördert die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes und ist auch für die Gesundheit der Väter gut», so Theunert. Sind sie nicht nur an Wochenenden für die Kinder da, erhöhe das zudem die Karrierechancen der Frau und stabilisiere die Familien.

Dass die Zuneigung der Mutter für die Entwicklung des Kindes ausreiche, findet Theunert eine hochproblematische Aussage. «Väterliche Geborgenheit ist eine zentrale Erfahrung.» Valterios Meinung stehe nicht im Einklang mit internationalen Forschungsergebnissen. Diese hätten etwa gezeigt, dass sich die Präsenz des Vaters positiv auf die schulischen Leistungen der Kinder auswirken.

Eltern müssen Eltern bleiben

«Kinder brauchen auch das Spiel mit dem Vater – durchaus auch auf allen vieren», so Theunert. Solange er nicht zum einzigen Spielkameraden werde, sei dies eine positive Erfahrung für das Kind. Trotzdem gibt er Valterio teilweise recht. «Eltern müssen grundsätzlich Eltern bleiben. Es ist ihre Aufgabe, Grenzen zu setzen.» Eine demokratische Beziehung zwischen Kindern und ihrem Vormund gebe es nicht.

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