Stillhalteabkommen mit PLOZiegler revidiert seine Aussage zum Geheimdeal
Seit Wochen mutmasst die Schweiz, ob es 1970 ein geheimes Abkommen mit der PLO gab. Jetzt ändert ein wichtiger Zeitzeuge seine Aussage.

Der Soziologe und ehemalige SP-Nationalrat stand mit der PLO in Kontakt: Jean Ziegler. (Foto: Nicolas Righetti / Lundi13)
Kein AnbieterAm 21. Februar 1970 explodierte eine Paketbombe im Laderaum des Swissair Flugs SR330 von Zürich nach Tel Aviv. Die Maschine stürzte in Würenlingen ab, alle 47 Menschen an Bord starben. Der Terroranschlag auf die Schweiz bleibt bis heute ungesühnt, die mutmasslichen Attentäter einer Splittergruppe der «Palästinensischen Befreiungsorganisation» (PLO) wurden nie vor Gericht gestellt.
Das Schweizer PLO-Abkommen
Gemäss dem kürzlich erschienenen Buch «Schweizer Terrorjahre: Das geheime Abkommen mit der PLO» des NZZ-Journalisten Marcel Gyr ist die Passivität der Schweizer Justiz darin begründet, dass der damalige Aussenminister Pierre Graber ein geheimes Schweigeabkommen abschloss, in dem er für eine Sicherheitsgarantie für die Schweiz der PLO im Gegenzug Straffreiheit für die Attentäter und diplomatische Unterstützung bei der UNO versprach. Doch nun revidiert einer von Gyrs wichtigsten Zeitzeugen, der Genfer Alt-Nationalrat (SP) Jean Ziegler, teilweise seine Aussage.
Zieglers neue Version
Die «Sonntagszeitung» fragte bei Ziegler nochmals nach. Der ist sich nun nicht mehr sicher, ob es einen solchen Geheimdeal tatsächlich gab. «Ich bin heute verwirrt und erstaunt, dass es nicht zur Anklage und nicht einmal zu einem internationalen Haftbefehl kam. Aber ich weiss nicht, was die Gründe für die Passivität des Bundesanwalts gewesen sind,» sagte Ziegler.
Damit widerspricht sich Ziegler selbst. Nicht nur bestätigte er Gyrs Recherchen gegenüber dem Journalisten, sondern er wiederholte den Sachverhalt ausdrücklich nochmals im «Echo der Zeit» vom 20. Januar 2016, wo er bestätigte: «[Bundesrat Graber] hat eine Wahl getroffen, er hat für die Staatsräson, für den Schutz der Schweizer Bevölkerung – also für die Verhinderung neuer Attacken – votiert und hat den Rechtsstaat dafür gebrochen. Es hat keine, irgendwelche [unverständlich] strafrechtlichen Verfolgungen gegeben gegen die Attentäter von Kloten – vom ersten Angriff – und dann auch nicht gegen die Attentäter vom Massenmord in Würenlingen. Und diesen Rechtsbruch hat Bundesrat Graber in Kauf genommen, akzeptiert, damit dieses Stillhalteabkommen zu Stande kommt.»
Noch im «Echo der Zeit» sprach er von einer «Kerngruppe», die das angebliche Stillhalteabkommen im Geheimen hinter dem Rücken des Gesamtbundesrats ausgehandelt haben soll. Namentlich seien das Bundesrat Graber, Bundesanwalt Hans Walder, der Geheimdienstchef André Amstein und Personen in der Politischen Direktion des EDA gewesen.
Ein Geheimdeal sei «unmöglich»
Gemäss dem Artikel in der «Sonntagszeitung» scheint das aber wenig plausibel, denn «dazu hätte es mindestens die Komplizenschaft des damaligen Justizministers Ludwig von Moos gebraucht». Der ehemalige Staatssekretär Franz Blankart bezeichnete ein solches Geheimabkommen in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sogar als «unmöglich».
Ob es also ein Stillhalteabkommen zwischen der Schweiz und der PLO gab, ist weiterhin unklar. In der «Sonntagszeitung» heisst es zusammenfassend: «Sämtliche noch lebenden Schweizer Zeitzeugen, die sich bisher geäussert haben und die etwas hätten wissen können, bezweifeln, dass es einen Deal gegeben hat.»