Illegale Einreisen klettern auf Rekordhöhe

Aktualisiert

Verdopplung seit 2015Illegale Einreisen klettern auf Rekordhöhe

Grenzwächter griffen dieses Jahr 11'912 Personen auf, die illegal in die Schweiz gelangten. Es sind vorwiegend Wirtschaftsmigranten aus Westafrika.

P. Michel
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P. Michel
Das Schweizer Grenzwachtkorps registrierte von Januar bis Mai dieses Jahres 11'912 illegale Einreisen.
Das ist ein neuer Höchststand. Im gleichen Zeitraum waren es 2015 noch 7065. Die Zahl der gestellten Asylgesuche ging indes im gleichen Zeitraum zurück: Das Staatssekretariat für Migration registrierte knapp 40 Prozent weniger Asylanträge.
Die meisten der von den Grenzwächtern aufgegriffenen Migranten stammen aus Westafrika, unter anderem aus Guinea, Gambia, Nigeria und die Elfenbeinküste. Damit zeichnet sich eine Verlagerung ab: Letztes Jahr registrierten die Grenzwächter hauptsächlich Personen aus Afghanistan.
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Das Schweizer Grenzwachtkorps registrierte von Januar bis Mai dieses Jahres 11'912 illegale Einreisen.

Im Frühling, wenn die Temperaturen steigen und sich der starke Wellengang im Mittelmeer gelegt hat, wagen wieder mehr Migranten die riskante Überfahrt nach Europa.

Das spürt auch das schweizerische Grenzwachtkorps. Die Zahl der illegal eingereisten Migranten hat zwischen Januar und Mai dieses Jahres im Vergleich zu 2015 stark zugenommen. Die Behörden griffen 11'912 Personen auf, die illegal ins Land gelangten – ein neuer Höchststand. Im gleichen Zeitraum waren es 2015 noch 7065.

Die Zahl der Asylgesuche ging indes im gleichen Zeitraum zurück: Das Staatssekretariat für Migration (SEM) registrierte knapp 40 Prozent weniger Asylanträge. Dies legt die Vermutung nahe, dass viele der illegalen Einwanderer gar keinen Asylantrag stellen, sondern die Schweiz als Transitland nutzen. «Noch vor der Schweiz sind Deutschland, Frankreich und Belgien weitere wichtige Zielländer», so eine SEM-Sprecherin.

Die meisten der von den Grenzwächtern aufgegriffenen Migranten stammen aus Westafrika, unter anderem aus Guinea, Gambia, Nigeria oder die Elfenbeinküste (siehe Box). Laut SEM geben die meisten Migranten aus Guinea «familiäre Probleme oder mangelnde Zukunftsperspektiven» als Fluchtgrund an. Ihre Chance auf Asyl ist dementsprechend gering. «Die Situation in Guinea ist weitgehend stabil, es kam weder zu grösseren politischen Unruhen noch zu erneuten gesundheitlichen Notlagen», so eine Sprecherin. Die wirtschaftliche Lage sei hingegen weiterhin schwierig.

Die Verdopplung der illegalen Einreisen ruft jetzt die Politik auf den Plan. Wie wollen Parlamentarier auf den Zustrom reagieren? 20 Minuten hat drei Konzepte von links bis rechts zusammengetragen.

Mittelmeer-Route schliessen

Aufgrund der «alarmierenden Zahlen» will SVP-Asylchef Andreas Glarner jetzt dem Vorschlag des österreichischen Aussenministers Sebastian Kurz folgen und die Mittelmeer-Route schliessen. «Die Schweiz muss sich zusammen mit der EU dafür einsetzen, dass Flüchtlinge im Mittelmeer gestoppt werden», so Glarner.

Zudem begrüsst der SVP-Nationalrat auch den österreichischen Vorschlag, in Tunesien oder Ägypten Aufnahmelager für aufgegriffene Flüchtlinge einzurichten. «Die Schweiz könnte mit Geld dafür sorgen, dass nordafrikanische Staaten einen Anreiz haben, die Aufnahmelager zu betreiben.» Dabei hat Glarner besonders die «Wirtschaftsflüchtlinge aus Westafrika» im Blick: In den Zentren solle es nur für Kriegsflüchtlinge etwa aus Syrien die Möglichkeit geben, einen Asylantrag zu stellen.

Das Dublin-System reformieren

Für CVP-Präsident Gerhard Pfister dagegen ist nicht die Schliessung der Mittelmeer-Route, sondern eine «Neukonzeption des Dublin-Systems» nötig, da die Staaten an den Aussengrenzen wie Italien total überfordert seien. Um die Schlepper zu bekämpfen, will er darauf hinwirken, dass die Migranten bereits in de Nähe von Krisenherden im Nahen Osten oder in Nordafrika registriert werden. Danach würden die Asylsuchenden nach einem Verteilschlüssel den europäischen Ländern zugewiesen.

Der Bundesrat begrüsst zwar Pfisters Vorschlag, das Dublin-System weiterzuentwickeln. Er meldet in einem Bericht, der auf Pfisters Anfrage ausgearbeitet wurde, jedoch Zweifel an der Idee von Asylzentren in der Nähe von Krisenherden an. «Die Zentren könnten nämlich zu einer Sogwirkung führen, was zur Folge hätte, dass eine grosse Anzahl Menschen die Reise in dieses Land anträten, um eine Chance auf eine Neuansiedlung in Europa zu erhalten.»

Legale Fluchtwege nach Europa

Eine weitere Idee bringt SP-Nationalrätin Silvia Schenker ins Spiel: das Botschaftsasyl. Demnach sollen Migranten etwa auf einer Schweizer Botschaft in Nordafrika ihr Asylgesuch einreichen können und dort auf ihren Bescheid warten. Dasselbe wäre laut Schenker auch auf europäischer Ebene möglich. Das Schweizer Botschaftsasyl war 2013 abgeschafft worden.

Zudem fordert die SP-Nationalrätin, dass die Schweiz sich für eine sichere Route übers Mittelmeer nach Europa einsetzt. Sie ist überzeugt: «Wenn wir Grenzen im Mittelmeer hochziehen, finden die Menschen einen anderen Weg, denn sie haben nichts mehr zu verlieren.» Laut Schenker wäre eine legale Fluchtroute, die etwa mit Booten der EU betrieben würde, auch eine effektive Massnahme gegen Schlepper: «Damit würde ihr Geschäftsmodell zerstört.»

Gerade im Fall von Westafrika sei es gleichzeitig auch wichtig, in die Hilfe vor Ort etwas zu investieren: «Niemand verlässt freiwillig sein Heimatland, darum sollten wir gleichzeitig auch die Lebensumstände vor Ort verbessern.»

Top-10-Nationalitäten

1. Guinea 1750

2. Gambia 1188

3. Nigeria 995

4. Elfenbeinküste 859

5. Somalia 644

6. Marokko 451

7. Eritrea 373

8. Senegal 329

9. Afghanistan 304

10. Pakistan 292

Quelle: Grenzwachtkorps; Anzahl Aufgriffe rechtswidrige Aufenthalte Januar bis Mai 2017

Was sind rechtswidrige Aufenthalte?

Wenn illegal eingereiste Personen von der Grenzwache aufgegriffen werden, können sie ein Asylgesuch stellen. Die Schweiz kann sie dann im Rahmen des Dublin-Verfahrens etwa nach Italien zurückführen oder behandelt ihre Gesuche selbst. Laut einer Auswertung des Grenzwachtkorps überstellten die Behörden zwei Drittel der 11'912 Personen, die zwischen Januar und Mai eingereist sind, wieder an ausländische Behörden.

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