Boomende FremdspracheSchweizer drängen in Arabisch-Kurse
Sprachschulen verzeichnen einen Run auf Arabisch-Kurse. Grund ist vor allem die Flüchtlingswelle. Ein Integrationsexperte ist skeptisch.
Zumindest für das westeuropäische Auge besteht die Schrift aus lauter Schnörkeln. Als wäre das nicht schon kompliziert genug, werden diese auch noch von rechts nach links gelesen und klingen für die meisten Schweizer wie Zungenbrecher. Doch diese Tücken halten viele nicht davon ab, freiwillig Arabisch zu büffeln. Arabischkurse haben Hochkonjunktur.
«Im Wintersemester haben wir eine Zunahme von Teilnehmern verzeichnet», sagt Patricia Picek Nadig, Ressortleiterin Sprachen bei der Volkshochschule Zürich. Während im Sommersemester 13 Personen den Anfängerkurs begonnen hätten, sei die Teilnehmerzahl im Wintersemester auf 25 gestiegen. Auch Husseni El Hefni steht vor vollen Klassen. «In den letzten drei Monaten hat sich die Anzahl der Besucher verdreifacht», sagt der Leiter der Zürcher Sprachschule Arab Swiss. Mazen Abdel-Rahman von der Basler Sprachschule Arabischlernen.ch stellt veränderte Interessen fest. «Es kommen neu vor allem Leute, die Arabisch lernen wollen, um privat Flüchtlingen zu helfen.»
«Stimmt das alles?»
Auch andere Anbieter berichten von Frauen und Männern, die Arabisch lernen wollen, um sich mit Flüchtlingen unterhalten zu können. «Die Schüler gehen ins Arabisch, um sich etwa mit der syrischen Putzfrau verständigen zu können oder einem Araber besser Deutsch beizubringen», sagt Rashid Jassim, Arabischlehrer an der Volkshochschule Zürich. Und El Hefni sagt: «Ich habe Schüler, die in den Kurs kommen, weil sie Asylbewerber aus dem arabischen Raum als Nachbarn haben.»
Laut Rashid Jassim lernen einige Teilnehmer die Fremdsprache auch, um sich in arabischen Medien über das politische Geschehen informieren zu können. El Hefni fällt auf, dass die Terroranschläge von Paris bei den Schweizern viele Fragen aufwerfen. «Sie wollen wissen, ob das alles stimmt, was in den Nachrichten über Araber berichtet wird.»
Schweizer öffnen sich
Die Sprache zu lernen, ist das eine – laut den Sprachlehrern besteht aber auch ein grosses Interesse an der arabischen Kultur. «Die Schweizer wollen wissen, wer diese Leute sind, die zu uns kommen», sagt Rashid Jassim. Was die arabische Kultur angehe, sei hierzulande ein «riesiges Manko» vorhanden. Ähnlich sieht es El Hefni: «Am Anfang der Flüchtlingswelle hatten die Schweizer Angst vor den Fremden. Jetzt werden sie den Flüchtlingen gegenüber langsam offener und sind neugierig.»
Mazen Abdel-Rahman behauptet: «Nur wenn man diese Sprache lernt, versteht man auch die Menschen und die Kultur.» In den Kursen erfahren die Teilnehmer auch, wie die Araber ticken. «Man lernt etwa, dass es für Araber respektlos ist, jemandem in die Augen zu schauen», sagt El Hefni.
«Alle Schweizer sollten Arabisch lernen»
Abdel-Rahman ist der Ansicht, dass die Schweizer durch das Arabische dem Islam anders begegnen und den Terror nicht gleich mit dem Islam verbinden. «Denn oft herrschen Vorurteile vor.» Er findet deshalb sogar: «Alle Schweizer sollten Arabisch lernen.»
Integrationsexperte Riza Demaj hat gegenüber dem Arabisch-Boom Vorbehalte. «Von den Schweizern kann nicht erwartet werden, dass sie sich den Flüchtlingen anpassen.» Stattdessen müssten die Flüchtlinge Deutsch lernen. Sprächen die Schweizer Arabisch, könnte dies ein falsches Signal an die Flüchtlinge aussenden. «Sie könnten den Eindruck erhalten, dass hier die gleichen Sitten herrschen wie in ihrem Herkunftsland und sie sich nicht integrieren müssen.»
Lernen Sie Arabisch? Dann melden Sie sich und erzählen Sie uns, warum Sie die Sprache lernen:
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