VolksabstimmungGlarners Oberwil-Lieli will keine Asylbewerber
Oberwil-Lieli will die vom Kanton zugeteilten zehn Asylsuchenden nicht aufnehmen. Stattdessen will sich die von SVP-Nationalrat Andreas Glarner geführte Aargauer Gemeinde freikaufen.

Andreas Glarner neben der Ortstafel «Lieli (Oberwil-Lieli)». (Archivbild)
Keystone/Dominic SteinmannDie Aargauer Gemeinde Oberwil-Lieli will die vom Kanton zugeteilten zehn Asylsuchenden nicht aufnehmen. Das haben die Stimmberechtigten in einer Abstimmung indirekt beschlossen. Die Gemeinde möchte sich von der Aufnahmepflicht mit 290'000 Franken pro Jahr freikaufen.
Konkret verwarfen die Stimmberechtigten in der heutigen Referendumsabstimmung das Gemeindebudget 2016. Der Entscheid fiel knapp mit 579 Nein-Stimmen zu 525 Ja-Stimmen. Die Stimmbeteiligung betrug 68,9 Prozent.
Mit dem Nein zum Budget stiessen die Stimmberechtigten den Entscheid der Gemeindeversammlung von Ende November um. Die Versammlung hatte damals beschlossen, die im Budget eingestellten 290'000 Franken nicht für die Ersatzzahlung an den Kanton wegen Nichtaufnahme von Asylsuchenden zu verwenden.
Der Urnenentscheid gegen die Aufnahme von Asylsuchenden ist noch nicht definitiv. Die Gemeinderat muss der Gemeindeversammlung ein neues Budget 2016 vorlegen. Der Antrag, das Geld nicht für Ersatzzahlung einzusetzen, kann erneut gestellt werden. Auch ein zweites Referendum ist möglich.
Glarner spricht von «Etappensieg»
Gemeindeammann und SVP-Nationalrat Andreas Glarner bezeichnete den in seinem Sinn ausgefallenen Volksentscheid auf Anfrage als «Etappensieg». Dieser zeige den Gemeinden, dass es auch anders gehen könne.
Glarner gilt als Hardliner in der Asylpolitik. Er wurde im Zuge des Streits in seiner Gemeinde neu in den Nationalrat gewählt. Bei der SVP Schweiz ist er für die Dossiers Migration und Asylpolitik verantwortlich.
Oberwil-Lieli ist gespalten
Für die Aufnahme von Asylsuchenden statt Ersatzzahlungen setzt sich die Interessengemeinschaft Solidarität Oberwil-Lieli ein. «Das Dorf ist gespalten», sagte Martin Uebelhart, Sprecher der Interessengemeinschaft. Man habe einen knappen Ausgang der Abstimmung erwartet. Gemeindeammann Glarner und der Gemeinderat müssten zur Kenntnis nehmen, dass das halbe Dorf deren Asylpolitik nicht mittrage. Man sei zu Beginn noch so behandelt worden, als gehöre man nicht zum Dorf.
Die Gegner der Aufnahme von Asylsuchenden hatten das Referendum gegen den Entscheid der Gemeindeversammlung ergriffen. Sie führten an, man müsse der «Überflutung» durch Migranten «endlich Einhalt gebieten». Die Migranten würden das Sozialsystem und «unsere Ordnung destabilisieren». Wie bei jeder umstrittenen Abstimmung in einem Dorf gingen die Wogen hoch.
Mehrere säumige Gemeinden
Die reiche Gemeinde Oberwil-Lieli zählt rund 2100 Einwohnerinnen und Einwohner und sieht sich selbst als «Juwel am Mutschellen». Sie ist im Aargau nicht die einzige Gemeinde, die keine oder nicht genügend Asylsuchende vom Kanton aufnimmt.
Die 213 Gemeinden sollten per Ende März vom Kanton 314 mehr Menschen aufnehmen. Insgesamt müssen sie derzeit 2530 Asylsuchende beherbergen.
Seit Anfang Jahr haben Gemeinden, die keine oder zu wenige Asylsuchende unterbringen, dem Kanton pro Tag und Person eine Pauschale von 110 Franken zu bezahlen. Die Pauschale deckt dem Kanton die Kosten für die Unterbringung der Asylsuchenden. Anfang Mai will der Kanton die ersten Rechnungen versenden.
Bis Ende 2015 hatten säumige Gemeinden dem Kanton nur zehn Franken zu überweisen. Sie konnten sich also relativ günstig von ihrer Pflicht «freikaufen». Als Folge der geänderten Spielregeln schufen zahlreiche Gemeinden zusätzliche Wohnplätze. (nag/sda)