Nein zur CVP-InitiativeJetzt soll die Single-Steuer für alle kommen
Nach der Ablehnung der Heiratsstrafe-Initiative wollen die Gegner die Individualbesteuerung vorantreiben. CVP und SVP wehren sich.

Nach dem Nein zur Heiratsstrafe will der Nationalrat eine Steuerreform durchbringen.
KeystoneIm Abstimmungskampf zur Heiratsstrafe-Initiative waren sich Gegner und Befürworter in einem Punkt einig: Eine Hochzeit soll die Höhe der Steuerrechnung nicht beeinflussen. Heute zahlen Ehepaare bei der Bundessteuer und in manchen Kantonen teilweise mehr Steuern als Unverheiratete. In anderen Kantonen profitieren sie hingegen von tieferen Steuern. Dabei ist auch entscheidend, ob beide Ehepartner erwerbstätig sind und wie viel sie verdienen.
Geht es nach einer Mehrheit des Nationalrats, sollen all diese Unterschiede künftig keine Rolle mehr spielen. Sie beauftragte den Bundesrat per Motion, «raschmöglichst» eine Gesetzesvorlage zur Individualbesteuerung vorzulegen. Diese sieht vor, dass alle Bürger einzeln besteuert würden, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind, in einer festen Partnerschaft leben oder single sind.
Doppelverdiener-Paare entlasten
Für FDP-Nationalrat Beat Walti wäre die Individualbesteuerung der fairste Weg, die Heiratsstrafe abzuschaffen. «Die Leute würden zivilstandsneutral und nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert.» Zudem sei das Modell ein Anreiz für gut ausgebildete Frauen, nach der Geburt eines Kindes im Arbeitsmarkt zu bleiben. «Heute werden Doppelverdiener-Ehepaare steuerlich schlechter behandelt, weshalb es sich für viele Paare nicht lohnt, wenn beide arbeiten.» Aus wirtschaftlicher Sicht sei das verheerend.
Gegen die Individualbesteuerung kämpfen CVP und SVP. Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter spricht von einer Schnapsidee: «Eine Bauernfamilie, die über Jahrzehnte Investitionen in den Betrieb, in Maschinen und Vieh tätigt, kann in der Steuererklärung Vermögen und Schulden kaum mehr auseinanderhalten.» Auch Ehepaaren ausserhalb der Landwirtschaft gehe es nicht anders. «Am Ende muss man sich noch aufschreiben, wer den Kinderwagen bezahlt hat.»
Bürokratie-«Horror»
Dasselbe gelte bei den Abzügen: «Meine Frau und ich haben drei Kinder. Müssten wir dann je eineinhalb Kinder deklarieren?» Ein «Horror» wäre für Ritter zudem der zusätzliche bürokratische Aufwand, der auf die Steuerbehörden zukäme, wenn jedes Ehepaar zwei Steuererklärungen einreichen würde. «Ich darf gar nicht daran denken!»
Walti, dessen Partei sich den Kampf gegen die Bürokratie auf die Fahne geschrieben hat, relativiert. Ein gewisser Mehraufwand sei zwar nicht zu vermeiden, dieser sei aber gut begründet. «Ausserdem ist eine Steuererklärung für eine Person im Umfang kleiner als eine für zwei Personen, bei der meist das Doppelte an Belegen eingereicht werden muss.»
Weniger Einnahmen
Laut einem Bericht des Bundesrats wäre gesamtschweizerisch mit rund 1,7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen zu rechnen. Die erwarteten Mindereinnahmen beziffert die Regierung – je nach Ausgestaltung – auf 240 Millionen bis 2,4 Milliarden Franken.
Die CVP verfolgt weiterhin das Ziel, die Heiratsstrafe auf anderem Weg abzuschaffen. Mögliche Modelle wären etwa das sogenannte Teil- oder Voll-Splitting sowie eine alternative Berechnung. Bei Ersterem werden die Einkommen der Ehegatten zusammengezählt dann und durch einen bestimmten Faktor geteilt. Bei Letzterem wird berechnet, ob das Ehepaar besser fahren würde, wenn es nicht verheiratet wäre. Wenn ja, wird es wie ein Konkubinatspaar besteuert. Die Mindereinnahmen betrügen beim ersten Modell 1,2 bis 2,3 Milliarden, beim zweiten schätzungsweise 1,2 Milliarden Franken.
Finanzminister Ueli Maurer (SVP) sagte, diese Diskussion wiederhole sich nun seit 30 Jahren. «Wenn wir zu einer Lösung kommen wollen, wird es in irgendeiner Form einen Kompromiss brauchen.»