«Schweizer Pass für alle hier geborenen Kinder»

Aktualisiert

Einbürgerung«Schweizer Pass für alle hier geborenen Kinder»

Cédric Wermuth will, dass hier geborene Kinder automatisch den Schweizer Pass erhalten. Für Kritiker ist das Bürgerrecht eine «Holschuld».

von
A. Schawalder
SP-Nationalrat Cédric Wermuth stellt das Schweizer Bürgerrechts-Konzept in Frage: Die Kriterien seien zu hart und teilweise willkürlich. Gleichzeitig habe ein immer grösserer Teil der Schweizer Bevölkerung kein Mitspracherecht bei politischen Entscheiden.
Deshalb schläg er vor: Kinder, die in der Schweiz geboren werden, sollen automatisch den Schweizer Pass erhalten. Der Lebensmittelpunkt der Eltern müsste sich allerdings schon einige Jahre in der Schweiz befinden, ein kurzer Besuch reiche nicht aus.
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann sieht das kritisch. Sie befürchtet, dass gewisse Immigranten eine solche Regelung ausnutzen würden, da man sie mit einem Schweizer Kind nicht mehr ausweisen dürfte.
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SP-Nationalrat Cédric Wermuth stellt das Schweizer Bürgerrechts-Konzept in Frage: Die Kriterien seien zu hart und teilweise willkürlich. Gleichzeitig habe ein immer grösserer Teil der Schweizer Bevölkerung kein Mitspracherecht bei politischen Entscheiden.

Keystone/Walter Bieri

Das Konzept des Schweizer Bürgerrechts müsse fundamental in Frage gestellt werden, sagt SP-Nationalrat Cédric Wermuth in einem Interview mit Watson. Sein Vorschlag: Kinder, die in der Schweiz geboren werden, sollen automatisch den Schweizer Pass erhalten. Dazu gehören laut Wermuth auch die Kinder von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen. Der Lebensmittelpunkt der Eltern müsste sich allerdings schon einige Jahre in der Schweiz befinden, ein kurzer Besuch reiche nicht aus.

Die Kriterien für die Einbürgerung seien zu hart und teilweise auch willkürlich, argumentiert Wermuth. Es mache keinen Sinn, dass in der Schweiz aufgewachsen Personen nicht dieselben Rechte hätten, nur weil ihre Eltern aus dem Ausland kommen. Deshalb will er das geltende System ändern: «Das Bürgerrecht ist der Anfang der Integration, nicht das Ende.» Die Änderung sei auch nötig, um die Demokratie zu stärken: «Wenn immer mehr Menschen hier leben, ohne mitbestimmen zu können, ist das zutiefst undemokratisch.»

Staatsbürgerschaft dank Blut oder Boden

In der Schweiz gilt beim Bürgerrecht das Prinzip des «Ius sanguinis», das Blutrecht. Es besagt, dass mindestens ein Elternteil Schweizer oder Schweizerin sein muss, damit ein Kind die Schweizer Staatsbürgerschaft erhält. Das funktioniert aber nicht überall so. In gewissen Ländern, etwa in den USA und in Kanada, gilt das «Ius soli», das Bodenrecht. Es bedeutet, dass die Staatsbürgerschaft nach Geburtsort und nicht nach Herkunft der Eltern erteilt wird. Wird ein Kind auf amerikanischem Staatsgebiet geboren, erhält es automatisch den amerikanischen Pass, auch wenn die Eltern keine Amerikaner sind. Wermuth wünscht sich den Wechsel vom Blutrecht zum Bodenrecht.

FDP-Nationalrat Kurt Fluri hingegen hält einen Systemwechsel für unnötig: «Wenn ein in der Schweiz geborenes Kind Schweizer werden will, kann es das machen, sobald es 18 ist. Es kann dann selbst entscheiden.» Bevor das Kind volljährig werde und wählen könne, habe es mit dem heutigen System keine Nachteile. Das Prinzip des «Ius sanguinis» stelle auch eine gewisse Hürde dar, da die Person sich aktiv um die Staatsbürgerschaft bemühen müsse. «Das ist nicht zu viel verlangt, es gibt auch eine gewisse Holschuld beim Bürgerrecht.»

Ausschaffungen erschwert

Ebenfalls kritisch äussert sich SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann: «Eltern, deren Kinder Schweizer sind, kann man nicht mehr ausweisen, wenn sie einst kriminell würden.» Man könnte auch kaum mehr jemandem die Aufenthaltsgenehmigung entziehen, zum Beispiel wenn die Person von der Sozialhilfe abhängig sei. «Mit der automatischen Einbürgerung müssten solche Sozialhilfebezüger nur ein Kind auf die Welt stellen, damit die Familie dauerhaft in der Schweiz bleiben kann», erklärt Steinemann. Das würde teuer werden und falsche Anreize setzen.

Auch das Demokratie-Argument Wermuths lässt sie nicht gelten: «Das Defizit kommt eher davon, dass einfach zu viele Menschen eingewandert sind.» So wie sie seine Argumentation verstehe, müsste man den Auslandschweizern ihr Wahlrecht entziehen, wenn sie lange oder nie in der Schweiz gewesen seien.

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