SBB müssen Markierungen für Blinde entfernen

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Zürich HauptbahnhofSBB müssen Markierungen für Blinde entfernen

Die weissen Streifen bei den Gleisen würden die Sehenden irritieren und müssten daher weg, sagt der Bund. Blindenorganisationen gehen vor Gericht.

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dia/rom
Die weissen Streifen in Gleisnähe markieren auch für die Sehenden die Grenze zum Gefahrenbereich: Reisende rennen am Bahnhof Löwenstrasse in Zürich auf den Zug. (14. Juni 2014).

Die weissen Streifen in Gleisnähe markieren auch für die Sehenden die Grenze zum Gefahrenbereich: Reisende rennen am Bahnhof Löwenstrasse in Zürich auf den Zug. (14. Juni 2014).

Keystone/Christian Beutler

Der Bund legt sich mit den Blinden an: Das Bundesamt für Verkehr zwingt die SBB, am neuen Bahnhof Löwenstrasse im Zürcher Hauptbahnhof Markierungen für Blinde wieder zu entfernen. Am 19. Oktober hat die Behörde von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard zuhanden der Bahn die entsprechende Verfügung erlassen, wie die «Sonntagszeitung» berichtet.

Die vielen Markierungen würden die Sehenden irritieren, was ein Sicherheitsrisiko für die Reisenden sei, hiess es. Denn die weissen Streifen in Gleisnähe markieren auch für die Sehenden die Grenze zum Gefahrenbereich bei den Perrons. Mit zu vielen Bodenstrichen, so die Überlegung der Beamten, würden Leute mit gesunden Augen den Warncharakter dieser Markierungen missachten.

Bundesamt verteidigt sich

Jetzt kommt die Sache vor Gericht: Drei Blindenorganisationen, darunter der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband, haben am 6. Januar beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen den Behördenentscheid eingereicht. Sie monieren einen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot.

Beim Bundesamt verteidigt man die umstrittene Verfügung und verweist auf eine Studie. Diese habe gezeigt, dass bei zu vielen Markierungen die als Sicherheitslinien vorgesehenen Streifen «von der Allgemeinheit nicht mehr in genügendem Ausmass wahrgenommen werden». Beim Bau des Bahnhofs Löwenstrasse hätten die SBB überdies eine frühere – also falsche – Version der Vorschriften angewendet. Das Amt habe lediglich «die Anpassung der Markierungen gemäss der heute geltenden Vorschriften verlangt».

«Das Hinterletzte»

Gar kein Verständnis für den Entscheid des Bundes hat Kurt Schreiber, Präsident der Passagierlobby Pro Bahn: «Die Begründung, wonach die Streifen die sehenden Fahrgäste irritieren sollen, irritiert mich», sagt er zu 20 Minuten. Im oberen Teil des Bahnhofs funktioniere das mit den Streifen ja problemlos, warum nicht auch unten? «Dass der Bund den Sehbehinderten dieses Hilfsmittel wegnehmen will, ist das Hinterletzte», sagt Schreiber. «Ich bin überzeugt, die Sehenden bringen die nötige Toleranz für die Markierungen auf.»

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