Entmündigung wird abgeschafft
Schwache und hilfsbedürftige Menschen sollen künftig massgeschneiderte amtliche Unterstützung erhalten. Die Entmündigung wird abgeschafft.
Dies ist das Ziel der vom Bundesrat verabschiedeten Totalrevision des Vormundschaftsrechts, wie Justizminister Christoph Blocher am Donnerstag in Bern sagte.
Die Stossrichtung der von der Landesregierung am Mittwoch beschlossenen Totalrevision zeigt sich schon im Titel: Das bisherige Vormundschaftsrecht soll künftig Erwachsenenschutzrecht heissen. Es sei ein heikler Bereich, da er in die Selbstverfügung und -disposition der Menschen eingreife, sagte Blocher. Betroffen sind vor allem psychisch Kranke, Suchtkranke, geistig Behinderte und hochbetagte Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr besorgen können und Unterstützung brauchen. Ende 2004 standen 76.540 Erwachsene unter Massnahmen des Vormundschaftsrechts.
Das 1912 in Kraft getretene und seither kaum geänderte Vormundschaftsrecht entspreche nicht mehr den heutigen Familien- und Gesellschaftsformen, sagte Blocher. Mit den starren Massnahmen von Entmündigung, Beirat oder Beistand könne zu wenig auf die einzelnen Fälle eingegangen werden. Künftig soll es nur noch eine Beistandschaft geben, wie Ruth Reusser, Vizedirektorin des Bundesamts für Justiz, sagte. Von Fall zu Fall müssten die Behörden dann abklären, wieviel staatliche Betreuung wirklich nötig ist.
Der Bundesrat will handlungsfähigen Personen zudem ermöglichen, mit einem Vorsorgeauftrag ihre Betreuung und rechtliche Vertretung im Fall einer Urteilsunfähigkeit privat zu regeln. Zudem sollen neu für die Patientenverfügung gesamtschweizerische Regeln festgehalten werden. Demnach muss der Verfügung grundsätzlich entsprochen werden, wie Reusser sagte.
Verbessern will der Bundesrat den Schutz urteilsunfähiger Personen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen. Ein schriftlicher Betreuungsvertrag soll Transparenz über die erbrachten Leistungen bringen. Zudem werden die Voraussetzungen umschrieben, unter denen die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden kann. Die Kantone werden verpflichtet, die Einrichtungen zu beaufsichtigen. Auch der Rechtsschutz bei der fürsorgerischen Unterbringung wird ausgebaut. Unter anderem werden die ärztliche Einweisungskompetenz beschränkt und wichtige Verfahrensvorschriften gesetzlich verankert. Die Behörden müssen die Unterbringung periodisch überprüfen.
Der Vollzug des Erwachsenenschutzgesetzes hänge von guten Behörden ab, sagte Reusser. Deshalb sollen künftig alle Entscheide im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes bei einer Fachbehörde konzentriert werden. Die Kantone können dazu eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht einsetzen. Die wesentlichen Verfahrensgrundsätze werden gesamtschweizerische vereinheitlicht und im Zivilgesetzbuch verankert.
Blocher rechnet damit, dass das neue Gesetz frühestens 2010 in Kraft treten kann, wobei den Kantonen gewisse Übergangsfristen gewährt werden müssten. (dapd)