Nahostexperte zu Einreiseverbot«Geri Müller hat eine klare Haltung»
Geri Müller droht bei einer Einreise nach Israel die Verhaftung. Die Schweiz dürfe sich davon nicht beeinflussen lassen, sagt der Nahost-Experte Erich Gysling.

«Israel versucht hier einen Prozess zu bremsen, der im Grossen und Ganzen unausweichlich ist», sagt der Nahost-Experte Erich Gysling zum Einreiseverbot für Geri Müller.
Herr Gysling*, Israel droht Nationalrat Geri Müller (Grüne/AG) wegen seiner Mitgliedschaft im Council for European Palestinian Relations (CEPR) mit einer Verhaftung, sobald er nach Israel einreisen will. Muss Müller bei seinem nächsten Flug nach Tel Aviv tatsächlich ins Gefängnis?
Erich Gysling: Das ist unklar. Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet wollte nicht bekannt geben, wie er gegen den CEPR und dessen Mitglieder vorgehen will. In meinen Augen geht es hier in erster Linie um eine Propagandaaktion der israelischen Regierung, um gegen eine in ihren Augen unerwünschte Organisation vorzugehen. Dabei vertritt der CEPR eine recht ausgewogene Haltung. Das Verbot und die Verhaftungsdrohung sind unverständlich.
Angenommen, Geri Müller reist als Teil einer offiziellen Delegation des Schweizer Parlaments nach Israel und wird dort festgenommen. Drohen da diplomatische Verstimmungen zwischen den beiden Ländern?
Über mögliche Konsequenzen einer Reise Müllers nach Israel muss sich die Schweiz hinwegsetzen. Auch die an sich recht zahme Aussenpolitik der Schweiz in der Region versucht seit einigen Jahren, die Interessen sowohl Israels als auch der Palästinenser gleichwertig zu berücksichtigen. Das passt einigen in Israel nicht, insbesondere der Rechten. Dieser Unmut führt dann zu solchen Aktionen wie der Androhung einer Verhaftung von Geri Müller. Israel handelt hier auf sehr eigensinnige Art und Weise. Doch davon sollte sich die Schweiz nicht beeinflussen lassen.
Ist Geri Müller nicht selber schuld an der drohenden Einreisesperre? Immerhin hat er unter anderem Vertreter der Hamas ins Bundeshaus eingeladen.
Das sehe ich nicht so. Geri Müller hat eine klare Haltung: Israelis und Palästinenser haben ein Anrecht auf einen eigenen Staat. Beide haben eine Existenzberechtigung. Das ist eine durchaus vernünftige Ansicht. Israel setzt sich in der Siedlungsfrage über geltendes Völkerrecht hinweg. Das kritisiert Geri Müller.
In Israel herrscht das Gefühl, trotz gemeinsamer westlicher und demokratischer Werte habe Israel in Westeuropa keine Freunde mehr. Ist die Einreisesperre gegen Müller ein Ausdruck davon?
Mit der Einreisesperre wird versucht, Reisen europäischer Parlamentarier in die Palästinensergebiete und Treffen mit der Hamas zu erschweren. Langfristig werden die Israelis nicht darum herumkommen, mit der Hamas zu sprechen und die Hamas wird nicht an einem konstruktiven Dialog mit Israel vorbeikommen. Hier versucht Israel einen Prozess zu bremsen, der im Grossen und Ganzen unausweichlich ist, obwohl er im Moment wenig Chancen hat.
*Erich Gysling ist Journalist und Publizist. Er hat mehrere Bücher zum Nahen Osten verfasst.
Zurückhaltung bei pro-israelischen Organisationen:
Jüdische und pro-israelische Organisationen in der Schweiz kommentieren die Verhaftungsandrohung gegen Geri Müller zurückhaltend. «Wir wissen zu wenig über den Council for European Palestinian Relations, um dazu konkret Stellung nehmen zu können», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Die Vorbehalte des SIG bezüglich Geri Müllers Haltung zu Israel seien aber bekannt, sagt Kreutner und verweist auf seine Aussagen vom Feburar 2013 gegenüber der Aargauer Zeitung, wo er Müllers Nähe zu Antisemiten und zur Hamas, welche Israel das Existenzrecht abspreche, kritisierte.
Die Gesellschaft Schweiz-Israel wolle zum Fall Geri Müller keine Stellung nehmen, da die Faktenlage zu dürftig sei und von der israelischen Regierung keine Informationen zu den getroffenen Massnahmen vorlägen, sagt Präsidentin Corina Eichenberger (FDP/AG). Bei der israelischen Botschaft in Bern war am Freitag niemand erreichbar. (cbe)