«Es wurden wohl weitere DNA-Spuren gesucht»

Aktualisiert

Vierfachmord in Rupperswil«Es wurden wohl weitere DNA-Spuren gesucht»

Polizisten durchsuchten am Dienstag erneut den Tatort von Rupperswil, heute findet eine Medienkonferenz statt. Profiler Axel Petermann über die Ermittlungsarbeit.

von
Marco Lüssi
Die Aargauer Staatsanwaltschaft und die Polizei gaben am 13. Mai 2016 eine Pressekonferenz.
Sie gaben bekannt, dass sie den Täter gefasst haben: Einen 33-jährigen Schweizer. Der Student hatte ein sexuelles Motiv: Er wollte sich am jüngeren Sohn von Carla S. vergehen.
Er bedrohte die Familie und zwang die Mutter, für ihn Geld abzuheben. Dann verging er sich am jüngeren Sohn. Am Ende schnitt er den vier Opfern die Kehlen durch: Die Polizei fand bei einer Hausdurchsuchung am Donnerstag, 12. Mai 2016 einen Rucksack mit Fesselungsmaterialien sowie eine alte Armeepistole. Der Mann hatte seine nächste Tat bereits geplant.
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Die Aargauer Staatsanwaltschaft und die Polizei gaben am 13. Mai 2016 eine Pressekonferenz.

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Herr Petermann, zwei Monate nach dem Vierfachmord von Rupperswil begaben sich erneut Polizisten an den Tatort, in Schutzanzüge gekleidet. Was könnten sie dort gewollt haben?

Sie werden DNA-Spuren gesucht haben. Es kann sein, dass die Ermittler vorher nur schwach ausgeprägte DNA-Spuren oder unvollständige Muster gesichert hatten. Sie hatten wohl die Hoffnung, dass sie weitere Spuren finden würden. Oder bei der Rekonstruktion der Tat haben sich neue Erkenntnisse ergeben, sodass die Ermittler noch einmal an tatrelevanten Stellen Spuren suchten.

Könnte man neue DNA-Spuren gesucht haben, weil man sie mit jenen von Verdächtigen abgleichen will, die man mittlerweile ausfindig gemacht hat?

Das ist natürlich möglich. Wenn dies der Fall sein sollte, wäre die Medienkonferenz vom Donnerstag allerdings wohl zu früh angesetzt, um die Erkenntnisse bereits einfliessen zu lassen: Bis solche Spuren ausgewertet sind, dauert es länger als 48 Stunden.

Acht Wochen sind seit der Bluttat verstrichen. Ist es üblich, dass es so viel Zeit braucht, um ein solches Verbrechen zu klären?

Normalerweise werden Tötungsdelikte schneller geklärt – doch das liegt daran, dass Täter und Opfer sich kannten. Bei unklaren Täter-Opfer-Konstellationen ist eine längere Bearbeitungszeit nicht ungewöhnlich. Im Fall Rupperswil gibt es aber eine Schwierigkeit, die wohl entscheidend dazu beigetragen hat, dass der Fall nicht so schnell gelöst werden konnte.

Welche Schwierigkeit ist das?

Dass die Täter am Tatort Feuer gelegt haben. Das ist für die Spurensicherung natürlich verheerend.

Kommt es oft vor, dass Verbrecher ihre Spuren auf diese Weise verwischen?

Nein, das ist eher selten. Es hat aus Sicht der Täter auch einen Nachteil: Das Feuer wird schnell entdeckt und somit auch das Verbrechen. Der zeitliche Vorsprung des Täters wird geringer. Es gibt im Übrigen auch andere Methoden, mit denen Verbrecher ihre Spuren verwischen: Ich kenne Fälle, in denen ein Wasserhahn aufgedreht und der Tatort überschwemmt wurde. Aber Feuer ist natürlich zerstörerischer.

Womit war die Polizei in den letzten Wochen besonders beschäftigt?

Mit Spurensicherung einerseits und andererseits damit, das Umfeld der Opfer zu eruieren und Gründe für die Tat zu finden, die sich aus ihrer Persönlichkeit und ihren Lebensverhältnissen ergeben könnten. Bei vier Toten ist dies eine grosse Arbeit.

Wie aussergewöhnlich ist dieses Verbrechen?

Fälle, in denen jemand zu Hause überfallen wird mit dem Ziel, Wertsachen oder Geld zu bekommen, gibt es immer wieder. Die grosse zeitliche Nähe zwischen dem Geldabheben durch die Mutter und den Tötungen deutet darauf hin, dass es darum ging. Nur enden Fälle dieser Art nur in Ausnahmefällen tödlich.

Was kann dazu führen?

Die Täter könnten überfordert gewesen sein, möglicherweise sind sie jung und unerfahren. Doch das ist jetzt natürlich Spekulation.

Am Donnerstag lädt die Polizei zur Medienkonferenz. Heisst das, der Fall ist gelöst?

Wenn ein solcher Fall aufgeklärt ist, dringt manchmal schon im Vorfeld etwas aus Ermittlerkreisen durch. Genau werden wir es erst morgen wissen.

Axel Petermann (64) ist Dozent für Kriminalistik an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen. Er war lange als Polizeikommissar tätig, unter anderem als Leiter der Mordkommission.Er ist Autor mehrere Bestseller. Sein neustes Buch heisst «Der Profiler – ein Spezialist für ungeklärte Mordfälle berichtet».

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