Sex-Workerin«Pornos machen Freier brutal und rücksichtslos»
Eine Domina hat ein Buch über die Freier geschrieben. Sie sagt, Internetpornos hätten deren Verhältnis zu Sex extrem verändert.

Die Autorin Karolina Leppert arbeitete viele Jahre lang als Domina. Heute betreut sie in Berlin Sex-Workerinnen und hat deren Geschichten aufgeschrieben.
«Du bist eine Schlampe. Du machst, was ich sage. Wir ficken jetzt», sagt ein etwa 18-jähriger Mann zu Sex-Workerin Mariella. Er kam einfach zu ihr ins Studio, obwohl dort das Besetztschild hing. Auf ihre Zurechtweisung reagierte er mit den eingangs beschriebenen Worten. Erst eine Erwähnung seiner eigenen Mutter bringt den Jugendlichen ins Stammeln. Im Buch «Männermanieren – Standpauke aus dem Rotlicht» erzählt Mariella diese Geschichte der Autorin Karolina Leppert.
Leppert arbeitete jahrelang als Domina im Sexgewerbe. Heute ist die 70-Jährige in der Berliner Prostituiertenberatungsstelle Hydra tätig und hat die Erzählungen der Sex-Workerinnen gesammelt und niedergeschrieben. Zentrale Aussage des Buches: Freier sind von Internetpornos versaut und benehmen sich gegenüber Prostituierten unhöflich und grob. Früher sei schlechtes Benehmen die Ausnahme gewesen, heute die Regel.
«Porno-Trend zu immer härterem Sex spürbar»
Im Gespräch mit 20 Minuten erklärt Leppert: «Bei den Jungs von heute ist oft die erste Erfahrung mit sichtbarer Sexualität der Porno im Internet. Wenn einer dann mit 18 oder 20 sexuelle Dienste in Anspruch nehmen will, geht er davon aus, das Sex so ist wie im Porno, weil er es nur so kennt.» So sei der Trend der Pornovideos zu immer schnellerem und härterem Sex auch in der Branche deutlich spürbar.
Mariella: «Sie verlieren kein Wort darüber, dass sie gerne härter zupacken, brechen uns dann beinahe die Knochen und haben noch das Gefühl, dass sie tolle Hengste seien.» Gerade bei jenen, die durch Pornos aufgeklärt worden sind, lasse sich eine Art Spirale der Brutalität ausmachen. «Die Qualität von Sex scheint sich heute nicht mehr an den Lust-, sondern an den Schmerzschreien zu messen. Je mehr Schmerzen die Frauen erleiden müssen, desto besser. Das ist pervers», sagt Leppert.
In Pornos haben Frauen beim Analverkehr multiple Orgasmen
Dazu gehöre auch, dass aussergewöhnliche Praktiken wie Fisten oder Analverkehr, die bis vor Kurzem noch Aufpreis kosteten, inzwischen als selbstverständlich angesehen und eingefordert würden. Wolle eine Frau das nicht machen, fänden die Männer das unprofessionell. Leppert: «Weil sie sehen, dass die Frauen in den Pornos dabei multiple Orgasmen haben.»
Nicht selten kämen Männer auch mit ganz speziellen Fantasien zur Sex-Workerin, obwohl sie diese zuvor noch nie auch nur ansatzweise ausprobiert hätten. So wollte ein Kunde von Leppert einen Tritt in die Hoden, weil dies in einem Clip «geil» aussah.
Erbrechen oder Ohnmacht wegen extremer Praktiken
Leppert versuchte den Kunden davon abzubringen, verpasste ihm dann aber den Tritt. «Er sackte zusammen und musste erbrechen.» Ein anderer wollte von Mariella unbedingt mit einem Dildo anal penetriert werden, obwohl er das noch nie gemacht hatte. Auch sie konnte ihn nicht davon abbringen. Der Freier wurde beim Akt dann ohnmächtig.
Leppert erklärt, dass die heutigen Männer wegen der Pornos insgesamt ein falsches Bild von Frauen hätten. Durch die Omnipräsenz und ständige Verfügbarkeit von Pornografie sei diese gedankenlos konsumierbar und verfälsche die Erwartungshaltung. «Letztendlich wissen wir es nicht, aber wir vermuten, dass dies auch in privaten Beziehungen zu einer gewissen Abgestumpftheit führt.»
Karolina Lepperts Buch «Männermanieren – eine Standpauke aus dem Rotlicht» erscheint morgen Samstag.