Karma?Diese Geschichten zeigen, wie ehrlich die Schweiz ist
Forscher fanden heraus, dass Menschen ehrlicher sind als gedacht: Je mehr Geld in einem verlorenen Portemonnaie steckte, desto eher wurde es zurückgebracht.
In einer international breit abgestützten Studie belegten Forscher der Universitäten Zürich, Michigan und Utah Erstaunliches: Je mehr Geld in einem vermeintlich verlorenen Portemonnaie steckte, desto eher brachten es die Finder zurück.
Dieses Muster fanden die Forscher in nahezu allen 40 Ländern, die untersucht wurden. Dennoch war die Rückgabequote sehr unterschiedlich: Bei Geldbörsen ohne Geld waren die Schweizer am ehrlichsten, bei grösseren Geldbeträgen die Dänen, Schweden und Neuseeländer.
Auch unsere Leser haben positive Erfahrungen gemacht oder gehören selber zu den ehrlichen Findern. Das sind ihre Geschichten:
Vor knapp zwei Jahren hat Arlind sein Portemonnaie vor einer Zürcher McDonald's-Filiale liegen gelassen: «Ich habe es draussen auf den Tisch gelegt und beim Reden mit Kollegen vollkommen vergessen, es wieder einzustecken.» Erst auf dem Weg zum Schuhladen habe er bemerkt, dass es fehlte. «Es waren etwa 560 Franken drin. Da ich damals noch in der Lehre war, war das sehr viel Geld für mich. Es hat sich richtig scheisse angefühlt», so Arlind. Er sei sofort zurückgegangen und habe an der Kasse nach dem Portemonnaie gefragt. «Der Angestellte händigte es mir aus, aber das ganze Geld war weg. Ich war geschockt.» Doch der Angestellte wollte sich mit ihm nur einen Spass erlauben und habe kurz darauf das gesamte Geld rausgerückt. «Ich war extrem erleichtert, denn es fehlte kein Rappen.» Gerne hätte sich Arlind beim Finder bedankt, doch dieser habe keine Kontaktdaten zurückgelassen. «Gerne hätte ich der Person 100 Franken als Finderlohn übergeben. Sehr schade, dass das nicht geklappt hat.»
Letzten Sommer fand David auf dem Parkplatz vor dem Tenniscenter in Luzern eine 1000er-Note. «Wir wollten dort mit Geschäftskollegen zu Mittag essen, doch das Restaurant war zu.» Auf dem Rückweg habe er dann am Boden etwas Violettes bemerkt. «Die Note lag dort ohne Portemonnaie. Ich brachte sie zurück ins Tenniscenter und habe meine Kontaktdaten hinterlassen.» Es habe sich um den Wochenlohn eines Tennislehrers gehandelt. «Er war mir sehr dankbar und wollte mich zum Nachtessen einladen. Er brachte mir ebenfalls ein Paar Turnschuhe und Tennisshirts.» Die Kleider habe er gern behalten. «Ich würde etwas Gefundenes auf jeden Fall immer zurückbringen. Sollte ich nämlich mal etwas verlieren, dann bin ich auch froh, wenn sich jemand die Mühe macht. Es ist ganz einfach Karma.»
Markus verlor als Jugendlicher sein Portemonnaie am Bahnhof: «Ich habe den Verlust erst im Laufe des Nachmittags in der Berufsschule bemerkt. Es war ein schreckliches Gefühl, so viel Geld auf einen Schlag los zu sein.» Glücklicherweise habe ihn der Finder intensiv via Facebook und über Kollegen gesucht. «So rief er mich am nächsten Tag ganz unverhofft an und wir vereinbarten ein Treffen.» Das Portemonnaie sei ihm höchstwahrscheinlich am Bahnhof beim Parkieren seines Rollers aus der Tasche gefallen. «Ich habe mich so gefreut, dass ich dem Finder an Ort und Stelle die gesamten 150 Franken in die Hand drückte. Er wollte das Geld zuerst nicht annehmen, aber ich bestand darauf.» Das Ersetzen der ID, der Kreditkarten und seines Firmenbadges wäre ihn sowieso viel teurer zu stehen gekommen. «Ich hätte nie damit gerechnet. Besonders in einer Stadt sind solche Sachen normalerweise einfach weg.»

Vor mehr als zehn Jahren verlor Davide sein Portemonnaie vor dem Stadion San Siro in Mailand. «Ich bemerkte den Verlust erst, nachdem ich mit dem Auto die Schweizer Grenze passiert hatte. Im ersten Moment war es ein Schock.» Zum Glück habe er fast kein Bargeld dringehabt. Das Erstaunliche geschah eine Woche später: «Ich fand mein Portemonnaie im Briefkasten. Der Finder hat es mir aus Italien per Post geschickt.» Er habe es kaum glauben können, denn damit habe er niemals gerechnet. Er sei zwar selbst Italiener, hätte das von einem Landsmann jedoch nicht gedacht. «Er muss fast Fan der gleichen Mannschaft gewesen sein. Anders kann ich es mir nicht erklären», lacht Davide. Leider habe der Finder keinen Absender hinterlassen. «Ich hätte mich gern bei ihm bedankt.»