FastentrendsKampf den Giften: Schweizer im Detox-Fieber
War Fasten früher religiöse Pflicht, ist bewusster Verzicht heute trendy. Von der Rauchpause bis zur Nulldiät erlebt das Entschlacken einen Boom.

Saft statt Schnitzel: Als Detoxing erlebt das Fasten einen neuen Frühling.
Frühlingszeit ist Detoxzeit. Wer möchte denn schon voller Schlacken und Gifte im Körper durchs Leben gehen? In den Wochen vor Ostern verzichten immer mehr Schweizer auf Zucker, Alkohol und Kohlenhydrate, schwören für mehrere Wochen Zigaretten ab oder streichen feste Nahrung gleich ganz aus ihrem Leben.
Dabei sind sie nicht auf sich allein gestellt: Zahlreiche findige Unternehmer sind auf den Trend aufgesprungen und bieten entsprechende Dienste an – vom Detox-Berater bis zum Saft-Lieferdienst. In diversen Foren können sich die Fastenden ausserdem rund um die Uhr über ihre Erfahrungen und Nöte austauschen. Dabei zeigen sich die verschiedensten Varianten. 20 Minuten stellt die modernen Versionen des kirchlichen Klassikers vor:
Für Radikale: Bis zu drei Wochen verzichten Hartgesottene komplett auf feste Nahrung. So beispielsweise beim «Martha's Vineyard Diet Detox»-Programm. Wer sich nicht ganz so lange ausschliesslich flüssig ernähren möchte, für den bietet die Schweizer Firma Biotta seit 20 Jahren den Klassiker an: Bei der «Wellness-Woche» stehen während sieben Tagen Frucht- und Gemüsesäfte, Tees sowie Leinsamen auf dem Speiseplan. Auch bei Biotta bemerkt man den aktuellen Trend zum Detoxen und hat eigens eine neue Website mit Forum zum Thema eingerichtet. «Aktuell melden sich jeden Tag um die 20 Personen neu an», sagt Marketing Projektleiterin Eva Liebelt. «Die Themen Verzicht und Bewusstheit sind in unserer Gesellschaft des Überflusses topaktuell.» Die Luxusvariante des Saft-Fastens bietet die Firma Detox Delight seit 2012 in der Schweiz an. Bei verschiedenen Programmen werden täglich neue Säfte, Suppen und mehr nach Hause geliefert.
Für Kompromissbereite: Viele Leute möchten zwar fasten, aber nicht auf feste Nahrung verzichten. Für sie gibt es mehrere Formen des «Fastens light». Einige verzichten hier auf Fleisch, andere auf Kohlenhydrate, ganz Vorsichtige streichen fürs Erste nur Zucker vom Speiseplan. Damit liegen sie goldrichtig, sagt Ärztin und Detox-Expertin Karin Gaida aus Zürich. «Weisser Zucker ist etwas, worauf alle verzichten sollten.» Auch sämtliche verarbeiteten Nahrungsmittel mit Zucker drin sollten tabu sein. Andere Aspekte des idealen Detoxens seien aber individuell. «Mittels Bluttest können Nahrungsmittel-Intoleranzen entdeckt und die Ernährung angepasst werden», so Gaida, die seit drei Jahren begleitete Entgiftung anbietet. Der Trend gehe weg von Kollektiv-Kuren in Hotels hin zu persönlich abgestimmten Detox-Programmen.
Für Anfänger: Gleich die ganze Ernährung umzustellen, ist vielen zu radikal. Um ihrer Gesundheit trotzdem durch Verzicht etwas Gutes zu tun, lassen immer mehr Menschen vor den Ostern die Hände von Alkohol und Tabak. Das kann nicht nur ein Einstieg in eine Zukunft als Nichtraucher sein, sondern bringt tatsächlich bereits während der Fastenzeit Vorteile. «Nach zwölf Stunden ohne Zigarette sinkt der Kohlenmonoxidgehalt im Blut auf ein normales Level», sagt Thomas Beutler von der Arbeitsgruppe Tabakprävention. Das Atmen werde bereits fühlbar erleichtert. Anderes brauche mehrere Wochen, wie etwa die Verbesserung von Blutzirkulation und Lungenfunktion. Eine Rauchpause während der Fastenzeit hält Beutler für eine realistische Chance, ganz aufzuhören. «Bestimmte Daten wie der Jahreswechsel, ein Geburtstag oder eben die Fastenzeit können eine zusätzliche Motivationsspritze sein.»
Für Ganzheitliche: Beim modernen Fasten steht nicht alleine die Ernährung im Fokus. Zunehmend übt man sich in verschiedenen Formen von Verzicht. Bei einer aktuellen Umfrage der deutschen Krankenkasse DAK Gesundheit zeigte sich, dass 35 Prozent der Teilnehmer bereit wären, während der Fastenzeit auf Handy und Internet zu verzichten. 34 Prozent könnten sich vorstellen, nicht fernzusehen und 12 Prozent wollen das Auto in der Garage stehen lassen. In der Schweiz führt das Blaue Kreuz vom 9. März bis zum 19. April die Aktion Timeout durch. Wer sich anmeldet, kann selbst entscheiden, worauf er verzichten möchte – Vorschläge gehen von Facebook-Entzug bis zum Treppensteigen statt Liftfahren. Wöchentlich werden Tipps zum Durchhalten aufgeschaltet.
Motivation ist der Schlüssel zum Fasten-Erfolg. Für alle, die mitten in der Detox-Woche mit Tränen in den Augen in einen Muffin beissen, hier noch ein Tipp aus der Wissenschaft: vorher ein paar Runden Tetris spielen. Eine Studie hat gezeigt, dass das Spiel beim Überwinden von Heisshunger helfen kann.
Nutzen Sie die Fastenzeit für bewussten Verzicht? Schreiben Sie uns, worauf Sie verzichten. feedback@20minuten.ch